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J 190
{Sutta: J ii 112|J 190|J 190} {Vaṇṇanā: atta. J 190|atta. J 190}
Die Erzählung von dem Tugendvorzug
190
Silanisamsa-Jataka (Sīlānisaṃsajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Sieh, wie der Glaube, wie die Tugend

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen gläubigen Laienbruder. — Als nämlich dieser gläubige, bekehrte edle Schüler eines Tages nach dem Jetavana ging, kam er am Abend an das Ufer der Aciravati. Der Fährmann aber hatte sein Schiff an das Ufer gezogen und war weggegangen, um die Predigt zu hören. Als nun jener an der Furt kein Schiff sah, trat er, von freudigen Gedanken an Buddha getrieben, auf den Fluss. Seine Füße sanken im Wasser nicht ein; er ging wie auf festem Boden. Als er aber in die Mitte gelangt war, sah er die Wellen. Da wurden seine freudigen Gedanken an Buddha schwächer und seine Füße begannen einzusinken. Doch er erweckte wieder stärkere freudige Gedanken an Buddha und ging weiter auf der Oberfläche des Wassers.

So kam er in das Jetavana, wo er den Meister begrüßte und sich ihm zur Seite setzte. Der Meister begann eine freundliche Unterhaltung mit ihm und fragte: „Du bist doch wohl, o Laienbruder, auf deinem Wege ohne große Beschwerde hierher gekommen?“ Jener erwiderte: „Herr, da ich von freudigen Gedanken an Buddha erfüllt war, nahm ich meinen Weg über das Wasser und kam hierher, wie wenn ich auf festem Boden ginge.“ Darauf sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, o Laienbruder, hast du, da du dich an die Buddhavorzüge erinnertest, einen festen Untergrund erlangt, sondern auch früher schon fanden Laienbruder inmitten des Ozeans, als ihr Schiff zertrümmert war, einen festen Untergrund, da sie der Buddhavorzüge gedachten.“ Und nach diesen Worten erzählte er, von jenem gebeten, folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem zur Zeit, da Kassapa [1] der völlig Erleuchtete war, bestieg einmal ein bekehrter edler Schüler zusammen mit einem wohlhabenden Barbier ein Schiff. Die Gattin des Barbiers übergab den Barbier der Sorgfalt des Laienbruders, indem sie sagte: „Lasse dir das Wohlergehen dieses Edlen angelegen sein.“ Das Schiff aber scheiterte am siebenten Tage inmitten des Meeres. Die zwei Leute gelangten, auf einem Brette liegend, nach einer Insel. Dort tötete der Barbier Vögel, briet sie und verzehrte sie. Er gab auch dem Laienbruder davon; doch der Laienbruder sagte: „Ich habe genug“, und aß nicht. Er dachte vielmehr: „An diesem Orte gibt es für uns keine Hilfe außer den drei Zufluchten“, und er erinnerte sich an die Vorzüge der drei Kleinodien [2].

Während er aber immer so an diese dachte, machte ein auf dieser Insel lebender Naga-König [3] aus seinem Körper durch Zauberkraft ein großes Schiff. Die Meeresgottheit wurde zum Matrosen. Das Schiff wurde mit den sieben Arten der Kleinodien angefüllt. Die drei Masten waren aus Saphiren gefertigt, der Anker [4] war aus Gold, die Taue aus Silber, die Planken aus Gold. — Darauf stellte sich die Meeresgottheit auf das Schiff und rief: „Sind Reisende nach dem Jambu-Erdteil da?“ Der Laienbruder erwiderte: „Wir wollen dorthin fahren.“ „Komme also und besteige das Schiff.“ Er bestieg das Schiff und rief den Barbier herbei. Doch die Meergottheit sprach: „Für dich ist dies nur, nicht für jenen.“ „Warum?“ „Er hat keinen tugendhaften Wandel; das ist der Grund. Ich habe nämlich für dich das Schiff herbeigebracht, nicht für jenen.“

Darauf sprach der Laienbruder: „Gut; von dem Geschenk, das mir geworden, von dem Gebot, das ich beobachtet, von der Betätigung, die ich betätigt, gebe ich diesem die Frucht.“ Der Barbier erwiderte: „Ich danke dir, Herr!“ — Darauf sagte die Gottheit: „Jetzt nehme ich ihn auch mit.“ Und sie ließ auch ihn das Schiff besteigen und brachte die beiden Leute über das Meer. Dann fuhr sie auf dem Flusse bis nach Benares und legte durch ihre Zauberkraft im Hause der beiden Schätze nieder. Und sie sprach: „Mit Weisen ist ein Zusammenleben zu betätigen; denn wenn dieser Barbier nicht im Verkehr mit diesem Laienbruder gestanden hätte, wäre er inmitten des Ozeans zugrunde gegangen.“ Indem sie so den Vorzug des Zusammenseins mit Weisen erklärte, sprach sie folgende Strophen:

[§1] „Sieh, wie der Glaube, wie die Tugend, wie Selbstverleugnung Früchte trägt! Der Schlangenfürst in Schiffsgestalt fährt jetzt den gläub'gen Laienbruder. [§2] Mit Weisen nur tut euch zusammen, mit Weisen schließet Freundschaft nur; durch das Zusammensein mit Weisen fand seine Rettung der Barbier.“

Nachdem so die Meergottheit in der Luft stehend die Lehre verkündigt und eine Ermahnung gegeben hatte, nahm sie den Naga-König mit und kehrte in ihre Behausung zurück.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte der Laienbruder zur Frucht der einmaligen Rückkehr): „Der damalige bekehrte Laienbruder ging zum völligen Nirvana ein [5], der Naga-König war Sāriputta, die Meergottheit aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Tugendvorzug

Anmerkungen:

1.
Der unmittelbare Vorgänger des Gotama Buddha in der Buddhawürde. Darum sind hier auch dieselben Ausdrücke „Laienbruder“, „edler Schüler“ usw. gebraucht wie für die Zeit Buddhas selbst.
2.
D. h. der drei Zufluchten: Buddha, die Lehre, die Gemeinde.
3.
Vgl. Jātaka 31 Anm. 22. [Die Nagas sind mythische Wesen in Gestalt von Schlangen. Obwohl meist den Menschen Feind, bekehrte sich eine Anzahl von ihnen zu Buddha. Vgl. „Leben des Buddha“, S. 69.]
4.
Das Wort „lakaro“ ist unklar. Cowell schlägt die Bedeutung „Anker“ vor in Anlehnung an das neupersische „langar“, das diese Bedeutung besitzt.
5.
Deshalb kann er mit keiner Person aus der Gegenwart identifiziert werden.
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