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J 203
{Sutta: J ii 147|J 203|J 203} {Vaṇṇanā: atta. J 203|atta. J 203}
Die Erzählung von der Sphäre der Daseinsarten
203
Khandhavatta-Jataka (Khaṇḍajātakaṃ) [1]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Freund bin ich den Virupakkhas[2]

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Mönch. Als dieser nämlich an der Türe des Feuerhauses Hölzer anzündete, kam aus einem verfaulten Baume eine Schlange hervor und biss ihn in eine Zehe, so dass er auf der Stelle starb. —

Es wurde aber im ganzen Kloster bekannt, dass er auf diese Weise ums Leben gekommen war. In der Lehrhalle begannen die Mönche folgendes Gespräch: „Freund, als der Mönch so und so an der Türe des Feuerhauses Hölzer anzündete, wurde er von einer Schlange gebissen und starb auf der Stelle.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, fuhr er fort: „Wenn, ihr Mönche, dieser Mönch in Bezug auf die vier Schlangenkönigsgeschlechter Liebe betätigt hätte, so hätte ihn die Schlange nicht gebissen. Schon in der Vorzeit haben Asketen, als noch kein Buddha erschienen war, zu den vier Schlangenkönigsgeschlechtern Liebe betätigt und wurden dadurch von der von den Schlangenkönigsgeschlechtern herrührenden Furcht befreit.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Reiche Kasi in einer Brahmanenfamilie seine Wiedergeburt. Als er herangewachsen war, gab er die Lüste auf und betätigte die Weltflucht der Weisen. Er erlangte die Erkenntnisse und die Vollkommenheiten. Im Himalaya erbaute er sich an einer Krümmung des Ganges eine Einsiedelei und lebte dort, von einer Asketenschar umgeben, des Glückes der Ekstase sich erfreuend.

Damals bereiteten am Ufer des Ganges mancherlei Schlangenarten den Weisen Störung und immer mehr Weise kamen durch sie ums Leben. Die Asketen meldeten dies dem Bodhisattva. Darauf ließ der Bodhisattva alle Asketen zusammenkommen und sprach zu ihnen: „Wenn ihr zu den vier Schlangenkönigsfamilien Liebe betätigen würdet, würden euch die Schlangen nicht beißen. Betätigt darum von jetzt an zu den vier Schlangenkönigsfamilien in folgender Weise die Liebe!“ Nach diesen Worten sprach er folgende Strophe:

[§1] „Freund bin ich den Virupakkhas, Freund bin ich den Erapathas, Freund bin ich den Chabbyaputtas, auch den Kanhagotamakas.“

Nachdem er so die vier Schlangenkönigsfamilien genannt hatte, fuhr er fort: „Wenn ihr gegen diese Liebe zu betätigen im Stande seid, werden euch die Schlangen nicht beißen noch verletzen.“ Und er sprach folgende zweite Strophe [3]:

[§2] „Zu den Fußlosen hab ich Liebe, zu den Zweifüßlern hab ich Liebe, zu den Vierfüßlern hab ich Liebe, zu den Vielfüßlern hab ich Liebe.“

Nachdem er so gegen alles, was einen Körper besitzt, die Liebesbetätigung bezeugt hatte, sprach er in Form einer Bitte folgende Strophe:

[§3] „Nicht schäd'ge mich ein Fußloser, nicht schäd'ge mich ein Zweifüßler, nicht schäd'ge mich ein Vierfüßler, nicht schäd'ge mich ein Vielfüßler.“

Indem er dann noch ohne besondere Unterscheidung die Liebesbetätigung ausdrückte, sprach er folgende Strophe:

[§4] „Die Wesen alle, alles Leben und alles, was da existiert, sie alle mögen glücklich leben und keines mög' ein Übel treffen.“

Nachdem er auf diese Weise gesagt hatte: „Zu allen Wesen ohne Unterscheidung betätigt die Liebe“, sprach er noch, um die Vorzüge der drei Kleinodien ins Gedächtnis zurückzurufen: „Unendlich ist der Buddha, unendlich die Lehre, unendlich die Gemeinde.“

Dann sagte er weiter: „Erinnert euch an die Vorzüge der drei Kleinodien“; und nachdem er die Eigenschaft der Unermesslichkeit bei den Kleinodien geschildert, fügte er hinzu, um die endlichen Wesen zu erklären: „Endlich sind die Kriechtiere, die Schlange, der Skorpion, der Hundertfüßler, die Spinne, die Eidechse, die Maus.“

Nachdem noch der Bodhisattva gezeigt hatte: „Weil ihnen Lust und die anderen endlich machenden Eigenschaften innewohnen, darum sind diese Kriechtiere der Endlichkeit unterworfen“, fuhr er fort: „Wegen der Wunderkraft der unendlichen drei Zufluchten sollen diese mit Endlichkeit Behafteten uns bei Tag und Nacht Sicherheit gewähren.“ Dann sagte er: „Gedenket an die Vorzüge der drei Kleinodien“, und sprach, um zu zeigen, was noch außerdem zu tun sei [4], folgende Strophe:

[§5] „Jetzt hab ich mich geschützt, hab mich behütet, von mir entfernen sollen sich die Wesen; jetzt bring ich dem Erhabenen Verehrung, den sieben ganz Erleuchteten [5] Verehrung.“

So fügte der Bodhisattva mit den Worten: „Wenn ihr Verehrung erzeigt, so gedenkt auch an die sieben Buddhas“, für die Asketenschar die Schutzformel zusammen und gab sie ihnen.

Von da an beharrte die Asketenschar bei der Ermahnung des Bodhisattva; sie betätigte die Liebe und gedachte der Buddhavorzüge. Während sie aber so der Buddhavorzüge gedachten, zogen sich alle Schlangen von ihnen zurück. Der Bodhisattva aber betätigte die Vollendungen und gelangte dann in die Brahma-Welt.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war die Asketenschar die Buddhagemeinde, der Meister der Schar aber war ich.“

Ende der Erzählung von der Sphäre der Daseinsarten

Anmerkungen:

1.
Vgl. zu den „Khandhas“ „Leben des Buddha“, S. 325, Anm. 50. Sie sind eine der vier Grundlagen des Seins und umfassen: den Körper, das Gefühl, die Empfindung, die Samkharas und das Bewusstsein. Hier sind wohl nur die verschiedenen Arten der Wesen damit gemeint.
2.
Dies ist der Name für die erste Familie der Schlangenkönige. Auch der „Regent des Westens“ heißt so.
3.
Diese und die nächsten zwei Strophen gelten noch als Teile der ersten; die eigentliche zweite Strophe ist die letzte.
4.
Dieser Ausdruck fehlt in der Übersetzung von Rouse.
5.
Damit sind entweder die sieben Buddhas gemeint, die vor der damaligen Existenz des Bodhisattva schon gelebt, oder auch die sieben bedeutendsten Vorgänger Buddhas.
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