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J 228
{Sutta: J ii 215|J 228|J 228} {Vaṇṇanā: atta. J 228|atta. J 228}
Die Erzählung von dem durch Begierde Geleiteten
228
Kamanita-Jataka (Kāmanītajātakaṃ) [0a]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Um dreier Städte willen

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf den Brahmanen Kamanita [1].

[§D]

Die Erzählung aus der Gegenwart sowohl wie aus der Vergangenheit wird im zwölften Buche im Kama-Jātaka [2] berichtet werden.

[§B]

Von diesen beiden Königssöhnen kam der älteste nach Benares und wurde dort König, der jüngste wurde Vizekönig. Von ihnen war der König unersättlich in der Freude an den Vergnügungen der fünf Sinne und in der Freude an sinnlicher Lust; auch war er geldgierig.

Damals war der Bodhisattva der Götterkönig Sakka. Als er den Jambu-Erdteil betrachtete und bemerkte, dass der König in den beiderlei Freuden unersättlich war, dachte er: „Ich will den König überwinden und mit Scham erfüllen.“ — Er nahm das Aussehen eines jungen Brahmanen an und suchte den König auf. Als der König ihn fragte: „Zu welchem Zweck bist du gekommen?“, sprach er: „Ich, o Großkönig, kenne drei friedliche Städte; diese sind fruchtbar, reich an Elefanten, Pferden, Wagen und Fußvolk [3] und voll von Gold, Kostbarkeiten und Schmucksachen. Man kann aber dieselben mit einem ganz kleinen Heere einnehmen. Ich bin gekommen, um sie einzunehmen und dir zu geben.“ Der König erwiderte: „Wann wollen wir aufbrechen, junger Brahmane?“ Als dieser antwortete: „Morgen, o Großkönig“, sagte der König: „Gehe also jetzt; morgen in der Frühe komme wieder!“ „Gut, o Großkönig, rüste rasch dein Heer“, versetzte Sakka und begab sich nach seinem Wohnort.

Am nächsten Tage ließ der König die Trommel herumgehen und sein Heer in Ordnung bringen; er rief seine Minister herbei und sprach zu ihnen: „Gestern sagte mir ein junger Brahmane, er wolle in den drei Städten der Uttarapancalas [4], der Indapattas und der Kekakas die Herrschaft an sich nehmen und mir geben. Wir werden mit dem jungen Brahmanen in diesen drei Städten die Herrschaft an uns reißen; ruft ihn rasch herbei!“ „Wo hast du ihm denn Wohnung geben lassen, o Fürst?“ „Ich ließ ihm kein Haus zur Wohnung geben.“ „Hast du ihm aber Geld für eine Wohnung gegeben?“ „Auch dies habe ich ihm nicht gegeben.“ „Wo sollen wir ihn aber finden?“ „Suchet in den Straßen der Stadt.“

Sie suchten nach ihm; als sie ihn nicht fanden, sagten sie zum Könige: „Wir konnten ihn nicht finden, o Großkönig.“ — Als aber der König den jungen Brahmanen nicht fand, dachte er: „So bin ich einer großen Herrschaft verlustig gegangen“, und es befiel ihn großer Kummer. Sein Herzfleisch wurde heiß, sein Herzblut fing an zu kochen und blutige Dysenterie [4a] trat ein, welche die Ärzte nicht zu stillen vermochten. —

Nach drei oder vier Tagen bemerkte Sakka, als er Umschau hielt, dass der König krank war, und er dachte: „Ich will ihn heilen.“ In der Tracht eines Brahmanen kam er in die Stadt, blieb an der Türe stehen und ließ melden, ein heilkundiger Brahmane sei gekommen, um den König zu heilen. Als der König dies hörte, sagte er: „Alle die großen königlichen Ärzte konnten mich nicht gesund machen: gebt ihm seinen Lohn und schickt ihn fort.“ Da aber Sakka dies vernahm, sprach er: „Ich brauche kein Geld für meine Wohnung, noch will ich Geld für die Heilung. Ich werde ihn heilen; der König möge mich sehen.“ Als der König dies hörte, sagte er: „Möge er also kommen.“

Sakka ging hinein, wünschte dem König Sieg und stellte sich ihm zur Seite. Der König fragte: „Du willst mich heilen?“ „Ja, o Fürst“, war die Antwort. „Heile mich also!“ „Gut, o Großkönig. Erzählt mir die Anzeichen der Krankheit. Aus welchem Anlass ist sie gekommen, infolge welcher Speise oder welches Getränks, oder was hast du gesehen oder gehört?“ Der König erwiderte: „Vater, meine Krankheit kam infolge von etwas, was ich hörte.“ „Was hast du gehört?“ „Vater, ein junger Brahmane kam zu mir und sagte, er wolle in drei Städten die Herrschaft an sich nehmen und mir geben. Ich ließ ihm weder einen Ort zum Wohnen, noch Geld für die Wohnung geben. Er wird mir darauf gezürnt haben und zu einem anderen Könige gegangen sein. Da ich nun dachte, ich sei einer großen Herrschaft verlustig gegangen, verfiel ich in diese Krankheit. Wenn du es kannst, so heile diese Krankheit, in die ich infolge meiner Begehrlichkeit verfallen.“ Und indem er dies erklärte, sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „Um dreier Städte [5] willen hab ich Sehnsucht, Pancala, Kuruya [6], Kekaka; denn mehr als dies [7] erstrebe ich, Brahmane. Brahmane, heile mich, den das Verlangen treibt.“

Darauf sagte Sakka zu ihm: „O Großkönig, durch Heilmittel aus Wurzeln u. dgl. bist du nicht zu heilen; durch das Heilmittel der Vernunft musst du geheilt werden.“ Und er sprach folgende zweite Strophe:

[§2] „Den, welchen Schlangen bissen, heilen manche, wen ein Dämon verletzte, heilt der Weise. Doch den von Lust Gequälten heilet niemand; wenn man das Recht verließ, wo gibt es Heilung?“

Nachdem so das große Wesen die Ursache hiervon gezeigt hatte, fügte er noch folgendes hinzu: „O Großkönig, wenn du diese drei Reiche dazu erhieltest, könntest du dann, während du in diesen vier Städten regieren würdest, zu gleicher Zeit vier Gewänderpaare anziehen oder von vier goldenen Schüsseln speisen oder auf vier fürstlichen Lagern schlafen? O Großkönig, man darf nicht in die Gewalt der Begierde geraten. Die Begierde ist nämlich die Wurzel des Unglücks; wenn sie genährt wird, so bringt sie den Mann, der sie nährt, in die acht großen Höllen, in die sechzehn kleinen Höllen und in die verschiedenen Arten der anderen Höllen hinein.“ Nachdem das große Wesen so den König mit Furcht vor den Höllen erfüllt hatte, erklärte er ihm die Lehre. Als aber der König von ihm die Lehre vernommen, wurde er frei von Kummer und sogleich verließ ihn die Krankheit. Sakka aber gab ihm eine Ermahnung, befestigte ihn in den Geboten und kehrte hierauf wieder in seine Götterstadt zurück. Jener verrichtete von da an gute Werke, wie Almosen Geben u. dgl. und gelangte dann an den Ort seiner Verdienste.

[§C]

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beschlossen hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der König der Brahmane Kamanita [8], Sakka aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem durch Begierde Geleiteten [0a]

Anmerkungen:

0a.
Dutoit übersetzt im Kopftitel „Die Erzählung von dem durch Begierde Geleiteten“, im Schlusstitel „von dem von Begierde Geleiteten“. In der ersten Strophe übersetzt er „den das Verlangen treibt“, in der zweiten Strophe „den von Lust Gequälten“. Der Name des Jātaka leitet sich wohl nicht in erster Linie von dem in der Vorgeschichte und der Verknüpfung genannten Brahmanen Kamanita (siehe Anm. 1) ab, sondern wohl eher von dem letzten Wort der ersten Strophe, „kamanitan“, von Dutoit dort mit „den das Verlangen treibt“ übersetzt, was sich auf den gierigen König der Geschichte aus der Vergangenheit bezieht. Am treffendsten halte ich daher die Bezeichnung „von dem vom Verlangen Getriebenen“.
1.
Dieser Eigenname bedeutet „der durch Begierde Geleitete“.
2.
Dies ist das 467. Jātaka.
3.
Dies sind die vier Bestandteile des Heeres in Indien; vgl. oben Jātaka 183 Anm. 2.
4.
Ein kriegerisches Volk im Norden von Indien.
4a.
Die Krankheit Ruhr.
5.
Wörtlich: „um dreier Berge willen“. Gemeint sind Städte, die auf einem Berge liegen.
6.
Nach dem Kommentator ist das oben erwähnte Indapatta die Stadt der Kuruyas.
7.
Nämlich als die Herrschaft, die er schon besitzt.
8.
Im Texte ist hier dies Wort mit kleinen Anfangsbuchstaben gedruckt; es bedeutet also „den von Begierde Geleiteten“. Doch in Anlehnung an die Einleitung des Jātaka zog ich vor, es als Eigennamen zu übersetzen.
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