„Dich preis ich, Elefant von sechzig Jahren“
[§A]Dies erzählte der Meister, da er im Veluvana verweilte, mit Beziehung auf Devadatta. Eines Tages nämlich begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, Devadatta ist grausam, roh und gewalttätig; er hat nicht einmal Mitleid mit den Geschöpfen.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon war dieser ohne Mitleid.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Elefantengeschlechte seine Wiedergeburt. Nachdem er herangewachsen war, war er schön und groß von Körper; er war der Herr der Herde und wohnte umgeben von achtzigtausend Elefanten im Himalaya. — Damals legte ein Wachtelweibchen an dem Orte, wo die Elefanten zu wandeln pflegten, ihre Eier. Als diese reif geworden waren, zerbrachen sie die jungen Vögel und schlüpften aus.
Während diesen Jungen nun ihre Flügel noch nicht gewachsen waren und sie noch nicht fliegen konnten, kam das große Wesen, umgeben von achtzigtausend Elefanten, an diesen Ort, indem sie sich Futter suchten. Als ihn die Wachtel sah, dachte sie: „Dieser Elefantenkönig wird meine Jungen zertreten und töten. Wohlan, ich will ihn, um meine Jungen zu retten, in rechter Weise um seinen Schutz bitten.“ Und indem sie beide Flügel zusammentat, sprach sie, vor ihn tretend, folgende erste Strophe:
Das große Wesen erwiderte: „Sei nicht bekümmert, Wachtel; ich will deine Jungen beschützen.“ Er stellte sich über die jungen Vögel. Als dann die achtzigtausend Elefanten vorübergezogen waren, sprach er zu der Wachtel: „Hinter uns her kommt ein einzeln wandelnder Elefant [2]; dieser wird nicht nach unsern Worten tun. Wenn er kommt, so bitte auch ihn und bewirke so, dass deine Jungen geschont werden!“ Nach diesen Worten entfernte er sich.
Darauf ging die Wachtel auch jenem entgegen, brachte ihm mit ihren beiden Flügeln die Zeichen der Verehrung dar und sprach folgende zweite Strophe:
Als der Elefant die Worte der Wachtel vernahm, sprach er folgende dritte Strophe;
Nach diesen Worten zermalmte er ihre Jungen mit seinem Fuße, schwemmte sie mit seinem Urin fort und entfernte sich trompetend. Die Wachtel aber versuchte, auf einem Zweig des Baumes sitzend, ihm Furcht einzujagen, indem sie sagte: „Gehe und trompete jetzt nur! Nach wenigen Tagen wirst du sehen, was ich tue. Du weißt nicht, dass die Kraft des Verstandes größer ist als die des Körpers; holla, ich werde es dir beweisen!“ Und sie sprach folgende vierte Strophe:
Einige Tage, nachdem sie so gesprochen, machte sie einer Krähe ihre Aufwartung. Als diese befriedigt fragte: „Was soll ich für dich tun?“, antwortete sie: „Herr, etwas anderes brauchst du nicht zu tun. Ich möchte nur, dass du einen einzeln wandelnden Elefanten mit deinem Schnabel stößt, dass ihm die beiden Augen zerstört werden.“ — Nachdem die Krähe zugestimmt hatte, machte die Wachtel einer schwarzen Mücke ihre Aufwartung. Als auch diese fragte: „Was soll ich für dich tun?“, antwortete sie: „Ich möchte, dass du, wenn jene Krähe dem einzeln wandelnden Elefanten die Augen zerstört hat, dorthinein deine Eier fallen lässt.“ Als auch die Mücke ihre Bereitwilligkeit erklärt hatte, machte die Wachtel einem Frosche ihre Aufwartung. Da er fragte: „Was soll ich tun?“, erwiderte sie: „Wenn dieser einzeln wandelnde Elefant blind geworden ist und nach Wasser sucht, dann setze dich auf den Gipfel des Berges und quake. Wenn jener dann auf den Gipfel des Berges gestiegen ist, so steige du hinunter und quake im Abgrund. Nur dies begehre ich von dir.“ Auch der Frosch gab ihr sein Versprechen, als er der Wachtel Worte vernommen hatte.
Eines Tages nun zerstieß die Krähe dem Elefanten die beiden Augen und die Mücke ließ ihre Eier darauf fallen. Da ihn die Maden benagten, wurde er von Schmerz betäubt; vom Durste überwältigt lief er umher und suchte nach Wasser. Jetzt setzte sich der Frosch auf den Gipfel des Berges und quakte. Der Elefant dachte: „Hier wird es Wasser geben“, und stieg den Berg hinauf. Darauf begab sich der Frosch nach unten, setzte sich in den Abgrund und quakte wieder. Der Elefant ging in der Meinung, dort sei Wasser, nach dem Abgrunde hin, überschlug sich und stürzte an den Fuß des Berges hinab, wo er verendete. Als die Wachtel merkte, dass er tot war, dachte sie: „Jetzt habe ich den Rücken meines Feindes gesehen“; hocherfreut ging sie auf seinem Körper umher und gelangte dann an den Ort ihrer Bestimmung.
Der Meister fügte hinzu: „Ihr Mönche, gegen niemand darf man Feindschaft zeigen; denn den so mit Stärke ausgerüsteten Elefanten brachten jene vier Geschöpfe durch ihr vereintes Handeln ums Leben.“ Darauf sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende Strophe:
Darauf verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der allein wandelnde Elefant Devadatta, der Anführer der Herde aber war ich.“
Ende der Erzählung von der Wachtel