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J 386
{Sutta: J iii 280|J 386|J 386} {Vaṇṇanā: atta. J 386|atta. J 386}
Die Erzählung von dem Eselssohn
386
Kharaputta-Jataka (Kharaputtajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

2. Kharaputtavaggo

Mit vollem Recht fürwahr sie sagten

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Verlockung durch die frühere Frau. Diesen Mönch fragte nämlich der Meister: „Ist es wahr, Mönch, dass du unzufrieden bist?“, und erhielt eine bejahende Antwort. Als er weiter fragte: „Wer hat dich unzufrieden gemacht?“, erwiderte jener: „Meine frühere Frau.“ Darauf sprach der Meister: „O Mönch, dieses Weib ist dir schädlich. Früher schon warst du im Begriff, durch sie in ein Feuer zu geraten und zu sterben, als du durch Weise dein Leben gerettet erhieltest.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares ein König namens Senaka regierte, bekleidete der Bodhisattva die Sakka-Würde. Damals stand der König Senaka mit einem Naga-Könige in Freundschaft. Dieser Naga-König hatte nämlich einmal seine Naga-Behausung verlassen und wandelte umher auf der Erde, sich Nahrung suchend [1]. Als ihn die Dorfknaben sahen, riefen sie: „Hier ist eine Schlange“, und sie trafen ihn mit Erdklumpen u. dgl. Der König ging gerade vorbei, um sich in seinem Park zu ergehen. Als er dies sah, fragte er: „Was tun diese Knaben?“ Man antwortete ihm: „Sie werfen nach einer Schlange.“ Da sagte er: „Lasst sie nicht werfen, sondern jagt sie fort!“, und ließ die Knaben forttreiben.

Als so dem Naga-König das Leben gerettet war, begab er sich in seine Naga-Behausung und ging von dort mit vielen Kleinodien in der Hand zur Zeit der Mitternacht in das Schlafgemach des Königs hinein. Er gab ihm die Juwelen und sagte: „Durch Euch wurde mir das Leben gerettet.“ So schloss er Freundschaft mit ihm und kam immer wieder, um den König zu besuchen. Eines von seinen Naga-Mädchen, das unersättlich war in sinnlicher Lust, stellte er neben den König, um ihn zu schützen und sagte ihm: „Wenn du sie nicht siehst, so sage diesen Spruch her.“ Mit diesen Worten gab er ihm einen Zauberspruch.

Eines Tages nun begab sich der König mit dem Naga-Mädchen in seinen Park und erging sich mit ihr in seinem Lotosteiche. Da sah das Naga-Mädchen eine Wasserschlange; es gab seine menschliche Gestalt auf und trieb Unzucht mit ihr. Als sie der König nicht mehr sah, dachte er: „Wohin ist sie jetzt gegangen?“, und sagte seinen Zauberspruch her. Da sah er, dass sie Böses tat, und schlug sie mit einem Bambusstück. Das Mädchen wurde zornig und begab sich in die Naga-Behausung. Als sie gefragt wurde, warum sie komme, erwiderte sie: „Euer Freund hat mich auf den Rücken geschlagen, weil ich nicht nach seinem Wunsche tat“, und zeigte die Striemen.

Der Naga-König, der nicht wusste, wie sich die Sache in Wirklichkeit verhielt, sprach nun zu einigen Naga-Jünglingen: „Gehet, begebt euch in das Schlafgemach des Senaka und zerschmettert ihn durch den Hauch eurer Nase zu Spreu.“ Sie gingen hin und betraten das Schlafgemach zur Zeit, als jener in seinem Bette lag. Während sie aber hineingingen, sprach gerade der König zu seiner Gattin: „Weißt du, Liebe, wohin das Naga-Mädchen gegangen ist?“ „Ich weiß es nicht, Herr“, war die Antwort. Darauf fuhr der König fort: „Heute, als sie sich in unserm Lotosteiche erging, gab sie ihre menschliche Gestalt auf und trieb Unzucht mit einer Wasserschlange. Um sie zu belehren, dass sie nicht so tun solle, schlug ich sie dafür mit einem Bambusstück. Ich fürchte, sie ist nach der Naga-Behausung gegangen, hat meinem Freund etwas anderes erzählt und so unsere Freundschaft zerstört.“

Als dies die Naga-Jünglinge hörten, kehrten sie von dort nach der Naga-Behausung zurück und berichteten dies dem Naga-Könige. Dieser machte sich Vorwürfe, begab sich sofort in das Schlafgemach des Königs, erzählte die Sache dem Könige und bat ihn um Verzeihung. Dann gab er ihm mit den Worten: „Dies ist meine Entschädigung“, einen Zauberspruch, durch den man alle Stimmen versteht, und fügte hinzu: „Dies, o Großkönig, ist ein unschätzbarer Zauberspruch; wenn du diesen Zauberspruch einem andern verrätst, so gerätst du in das Feuer und musst sterben.“ Der König gab mit dem Worte: „Gut“, seine Zustimmung. Von da an verstand er selbst der Ameisen Sprache.

Als er nun eines Tages in seinem großen Saale saß und Kuchen mit Honig und Zuckersaft aß, fiel ein Honigtropfen, ein Tropfen Zuckersaft und ein Bröckchen Kuchen auf den Boden. Eine Ameise, die dies bemerkt hatte, lief nun umher und rief: „Im Saale des Königs ist eine Honigschüssel gesprungen, eine Wagenladung Zuckersaft und eine Wagenladung Kuchen ist verstreut; esset Honig, Zuckersaft und Kuchen!“ Da der König diesen Ruf hörte, musste er lachen. Die Königin aber, die in seiner Nähe stand, dachte: „Was hat der König gesehen, dass er lachen musste?“

Nachdem er sodann den Kuchen verzehrt und ein Bad genommen hatte, setzte er sich auf das Polster. Da sprach zu einer Mücke ihr Männchen: „Komm, Liebe, wir wollen uns an Liebeslust erfreuen.“ Sie aber erwiderte: „Warte noch, Herr. Jetzt werden für den König wohlriechende Substanzen herbeigebracht. Während er sich mit ihnen besprengt, wird zu seinen Füßen ein Parfümkörnchen herabfallen; wenn ich dort weile, werde ich wohlriechend werden. Dann wollen wir uns auf den Rücken des Königs setzen und uns erfreuen.“ Als der König diese Worte hörte, musste er auch lachen. Die Königin dachte wieder: „Was hat er gesehen, dass er lachen musste?“

Als wiederum der König seine Abendmahlzeit einnahm, fiel ein Klümpchen gekochten Reises auf den Boden. Da riefen die Ameisen: „Im königlichen Palaste ist ein Wagen voll Reisbrei zerbrochen; es ist niemand da, um den Reisbrei zu verzehren.“ Auch bei diesen Worten musste der König lachen. Da nahm die Königin einen goldenen Löffel, und indem sie ihn dem Könige anbot, überlegte sie: „Hat wohl bei meinem Anblick der König gelacht?“

Als sie nun mit dem König auf ihr Lager hinaufgestiegen war und neben ihm lag, fragte sie: „Warum hast du gelacht, o Fürst?“ Dieser erwiderte: „Was geht es dich an, warum ich lache?“ Doch als er immer wieder gefragt wurde, sagte er es ihr. Sogleich sagte sie: „Teilt mir Euren Zauberspruch zum Erkennen der Tierstimmen mit!“ Er wies sie zurück mit den Worten: „Ich kann ihn dir nicht mitteilen“, aber immer wieder fing sie davon an. Endlich sagte der König: „Wenn ich dir diesen Zauberspruch mitteile, so muss ich sterben.“ Doch sie antwortete: „Auch wenn du sterben musst, sage ihn mir nur.“ Da nun der König unter der Gewalt des Weibes stand, gab er seine Zustimmung, und indem er dachte: „Wenn ich ihr den Zauberspruch verrate, werde ich in das Feuer kommen“, fuhr er auf seinem Wagen nach dem Parke. —

In diesem Augenblick betrachtete Sakka die Welt und bemerkte, was da vorging. Da dachte er: „Dieser törichte König geht um eines Weibes willen in das Feuer hinein; ich will ihm sein Leben retten.“ Mit dem Asura-Mädchen Suja begab er sich nach Benares, machte es zu einer Ziege und sich selbst zu einem Ziegenbock, und indem er befahl: „Die anderen Leute sollen mich nicht sehen“, machte er sich vor den Wagen des Königs. Ihn bemerkten nur der König und die Sindhu-Rosse, die an den Wagen gespannt waren; sonst sah ihn niemand.

Damit ein Gespräch beginnen konnte, stellte sich nun Gott Sakka, als ob er mit der Ziege Unzucht treibe. Als ein Sindhu-Ross, das vor den Wagen gespannt war, dies sah, sagte es: „Lieber Ziegenbock, früher hörten wir immer, die Böcke seien töricht und ohne Scham, sahen es aber nicht bis jetzt. Du aber treibst die Unzucht, die nur im Geheimen, an einer verborgenen Stelle auszuführen ist, vor den Augen von uns so vielen Zuschauern und schämst dich nicht. Was wir früher gehört, passt zu dem, was wir jetzt sehen.“ Und es sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Mit vollem Recht fürwahr sie sagten, gar töricht sei ein Bock, die Weisen. Du Tor weißt nicht, was im Geheimen und was vor andern darf geschehen.“

Als dies der Ziegenbock hörte, sprach er folgende zwei Strophen:

[§2] „Auch du, mein Lieber, bist ein Tor, erkenne dies, du Eselssohn; am Strick gehst du, vom Joch umschlungen, die Lipp' durchbohrt, gesenkt das Antlitz. [§3] Auch sonst noch, Lieber, bist du töricht, weil losgemacht du nicht entläufst; doch noch viel törichter, mein Lieber, ist Senaka, den du da fährst.“

Der König verstand, was die beiden sprachen; als er darum dies hörte, ließ er den Wagen langsam fahren. Als aber der Esel die Erwiderung des Bockes vernommen, sprach er folgende Strophe:

[§4] „Dass ich ja töricht bin, mein Lieber, das darfst du glauben, Ziegenkönig. Doch weshalb ist Senaka töricht? Dies sage mir, der ich dich frage.“

Dies verkündigend sprach der Ziegenbock folgende fünfte Strophe:

[§5] „Weil er, zu größter Macht gelangt, dies aufgibt um der Gattin willen; denn damit gibt er selbst sich preis und sie bleibt doch nicht ihm erhalten.“ —

Als der König seine Worte vernahm, sprach er: „O Ziegenkönig, du tust dies nur um unsrer Rettung willen; sage jetzt, was wir tun sollen.“ Darauf erwiderte ihm der Ziegenkönig: „O Großkönig, unter diesen Wesen gibt es keines, dem ein anderes lieber wäre als es selbst. Wegen eines einzigen lieben Gutes ziemt es nicht, sich selbst zu vernichten und den erworbenen Ruhm aufzugeben.“ Und er sprach folgende sechste Strophe:

[§6] „Nicht gut tut, Völkerfürst, ein Mann wie du, der, weil er denkt: ‘Es ist mir lieb’, sich opfert selbst. Am meisten wert ist Leben und Vollendung; auch später kann ein Mächtiger die Liebe haben.“

So gab der Bodhisattva dem Könige eine Ermahnung. Befriedigt fragte der König: „O Ziegenkönig, warum bist du gekommen?“ Dieser antwortete: „Ich bin Sakka, o Großkönig; aus Mitleid mit dir, um dich vom Tode zu erretten, bin ich gekommen.“ Der König versetzte: „O Götterkönig, ich habe ihr gesagt, ich werde ihr den Zauberspruch mitteilen; was soll ich jetzt tun?“ Der Bodhisattva erwiderte: „Ihr beide braucht darum nicht zu sterben. Sage ihr, dies sei eine Förderung für das Lernen, und lass ihr ein paar Schläge versetzen; auf diese Weise wird sie den Spruch nicht lernen wollen.“ Diesem gab der König seine Zustimmung. Darauf ermahnte der Bodhisattva den König und kehrte an seinen Ort zurück.

Der König begab sich jetzt nach dem Parke, ließ die Königin rufen und fragte sie: „Liebe, willst du den Zauberspruch erlernen?“ „Ja, o Fürst.“ „Führe darum eine Vorbedingung dafür aus.“ „Was für eine Vorbedingung?“ „Während hundert Schläge deinen Rücken treffen, darfst du keinen Laut von dir geben.“ Aus Gier nach dem Zauberspruch willigte sie ein. Darauf ließ der König seine Sklaven Peitschen nehmen und sie auf beiden Seiten schlagen. Nachdem sie zwei oder drei Schläge ausgehalten, schrie sie bei den weiteren: „Ich will den Zauberspruch nicht!“ Da sprach zu ihr der König: „Du wolltest mich sterben lassen, um den Zauberspruch zu erhalten!“ Er ließ ihr die Haut vom Rücken peitschen und jagte sie fort. Von da an aber getraute sie sich nicht mehr, davon zu reden.

[§C]

Nachdem aber der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener unzufriedene Mönch zur Frucht der Bekehrung): „Damals war der König der unzufriedene Mönch, die Königin war die frühere Frau, das Ross war Sariputta, Gott Sakka aber war ich.“

Ende der Erzählung von dem Eselssohn

Anmerkungen:

1.
Die Nagas haben eigentlich Schlangengestalt.
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