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J 387
{Sutta: J iii 284|J 387|J 387} {Vaṇṇanā: atta. J 387|atta. J 387}
Die Erzählung von der Nadel
387
Suci-Jataka (Sūcijātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Wer will sich eine Nadel kaufen

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Vollkommenheit des Wissens.

[§D]

Die Begebenheit wird im Mahaummagga-Jātaka [1] erzählt werden. —

Damals aber sprach der Meister zu den Mönchen: „Ihr Mönche, nicht nur jetzt, sondern auch früher schon war der Vollendete einsichtsvoll und der Listen kundig.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Reiche Kasi in einer Schmiedefamilie seine Wiedergeburt. Nachdem er herangewachsen war, war er zur Vollendung seiner Kunst gelangt. Seine Eltern aber waren arm. Unweit von ihrem Dorfe befand sich ein aus tausend Häusern bestehendes Schmiededorf. Der Älteste dieser tausend Schmiede war ein Günstling des Königs, wohlhabend und begütert. Er hatte eine einzige Tochter von äußerster Schönheit; diese glich den Göttermädchen und war mit den Schönheitsvorzügen der Janapadakalyani [2] ausgestattet. Aus den benachbarten Dörfern kamen die Leute, um sich Beile, Äxte, Pflugscharen, Treibestachel u. dgl. machen zu lassen, in dies Dorf und sahen dort immer dies Mädchen. Wenn sie dann in ihre Dörfer zurückgekehrt waren, priesen sie überall, wo sie saßen usw., dessen Schönheit.

Als dies der Bodhisattva hörte, wurde er schon vom bloßen Hören in sie verliebt und dachte: „Ich will sie zu meiner Genossin machen.“ Er nahm Stahl von bester Art und machte eine feine, feste Nadel, die Würfel durchbohrte und im Wasser oben schwamm. Dann verfertigte er eine zweite von derselben Art als ihren Behälter, die auch einen Würfel durchbohren konnte. Auf diese Art machte er für die erste sieben Behälter. Wir er sie machte, braucht man nicht zu sagen; denn infolge der Größe der Weisheit, die die Buddhas besitzen, gelingt ihnen alles. —

Er legte darauf die Nadel in eine kleine Röhre, tat diese in einen Überzug und begab sich damit in jenes Dorf. Nachdem er die Straße, in der der Älteste der Schmiede wohnte, erfragt hatte, ging er dorthin, stellte sich vor seine Türe und pries seine Nadel mit folgenden Worten: „Wer wünscht von mir eine so beschaffene Nadel um Geld zu kaufen?“ So in der Nähe der Haustüre des Ältesten der Schmiede stehend, sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „Wer will sich eine Nadel kaufen, die nicht zu rau und nicht zu hart, gar spitz und rein mit gutem Öhr, ganz klein ist und von scharfer Spitze?“

Nachdem er so gesprochen, pries er sie weiter an mit der folgenden zweiten Strophe:

[§2] „Gut abgerieben, gut geöhrt, auf allen Seiten gut gerundet, sie sticht gar fein, ist gut gehärtet: Wer will sich diese Nadel kaufen?“ —

In diesem Augenblicke fächelte gerade jenes Mädchen seinen Vater, der sich nach dem Frühmahle, um sich zu erholen, auf ein kleines Ruhebett gelegt hatte, mit dem Stängel einer Fächerpalme. Als sie aber die süße Stimme des Bodhisattva vernahm, da war es ihr, als wäre sie von einem noch feuchten Stück Fleisch am Herzen getroffen und als hätte sie sich mit tausend Krügen Wassers von ihrem Schmerz befreit. Sie dachte: „Wer verkauft da mit süßer Stimme in dem Dorfe, wo die Schmiede wohnen, eine Nadel? Zu welchem Zweck ist er gekommen? Ich will ihn kennen lernen.“ Sie legte den Palmenwedel hin, ging aus dem Hause heraus, stellte sich draußen auf die Veranda und begann mit dem Bodhisattva zu reden. Der Wunsch der Bodhisattvas nämlich geht in Erfüllung und er war ja um ihretwillen in dies Dorf gekommen.

Sie redete ihn also folgendermaßen an: „Du junger Brahmane, die Bewohner des ganzen Reiches kommen, um Nadeln u. dgl. zu kaufen, in dieses Dorf. Du willst in deiner Torheit im Schmiededorfe Nadeln verkaufen! Wenn du auch den ganzen Tag den Vorzug deiner Nadel verkündigst, wird doch niemand eine Nadel nehmen. Wenn du Geld erhalten willst, so gehe in ein andres Dorf.“ Und sie sprach folgende zwei Strophen:

[§3] „Von diesem Dorfe kommen doch die Nadeln und die Fischerhaken; wer ist dies, der im Schmiededorfe noch Nadeln zu verkaufen wünscht? [§4] Von hier bezieht man seine Waffen und andre Sachen aller Art; wer ist dies, der im Schmiededorfe sich anmaßt, Nadeln zu verkaufen?“

Als der Bodhisattva ihre Worte hörte, antwortete er: „Liebe, weil du es nicht verstehst, aus Unkenntnis redest du so“; und er sprach folgende zwei Strophen:

[§5] „Im Schmiededorfe soll man Nadeln verkaufen, weil man dort sie kennt; am besten wissen es die Meister, ob etwas gut gemacht, ob schlecht. [§6] Auch diese Nadel, die ich machte, die soll dein Vater prüfen, Liebe; dann wird er mir dich übergeben und alle Schätze, die im Hause.“ —

Der Älteste der Schmiede hatte die ganze Unterhaltung angehört. Er rief seine Tochter herbei und fragte: „Meine Tochter, mit wem sprichst du?“ Sie antwortete: „Vater, ein Mann verkauft Nadeln; mit diesem.“ „Rufe mir ihn also herbei!“ Sie ging hin und rief den Bodhisattva. Dieser begrüßte den Ältesten der Schmiede und blieb stehen. Darauf fragte ihn dieser: „In was für einem Orte wohnst du?“ „Ich wohne in dem und dem Dorfe und bin der Sohn des Schmiedes so und so.“ „Warum bist du hierher gekommen?“ „Um eine Nadel zu verkaufen.“ „Bringe sie her; lass uns deine Nadel sehen.“

Weil aber der Bodhisattva seinen Vorzug inmitten von allen kundtun wollte, erwiderte er: „Ist es nicht besser, wenn sie inmitten aller betrachtet wird, als wenn sie nur einzelne anschauen?“ Jener antwortete: „Gut, mein Sohn“; er ließ alle Schmiede zusammenkommen und sagte dann von ihnen umgeben: „Bringe jetzt deine Nadel, mein Sohn.“ Dieser sagte: „Meister, lasst zuerst einen Amboss und eine mit Wasser gefüllte Metallschale bringen.“ Dies geschah. Darauf zog der Bodhisattva die Nadelbüchse aus dem Überzug und gab sie ihm. Der Älteste der Schmiede zog die Nadel heraus und fragte: „Ist dies die Nadel, mein Sohn?“ Dieser antwortete: „Dies ist nicht die Nadel, es ist nur ein Behälter.“ Während jener sie aber genau betrachtete, sah er an ihr weder das Ende noch die Spitze. Der Bodhisattva ließ sie sich bringen, entfernte mit seinem Nagel den Behälter, und indem er den vielen Anwesenden zeigte, dies sei die Nadel und dies der Behälter, legte er die Nadel in die Hand des Meisters und die Nadelhülse zu seinen Füßen. Wieder sagte der Meister: „Dies ist die Nadel, glaube ich“, und wieder entgegnete der Bodhisattva: „Auch dies ist nur ein Nadelbehälter“, und entfernte diesen mit dem Nagel. So legte er der Reihe nach sechs Nadelhülsen zu den Füßen des Schmiedeältesten und legte dann mit den Worten: „Dies ist die Nadel“, die Nadel in seine Hand.

Da klappten die tausend Schmiede vor Freude mit den Fingern und sie warfen ihre Gewänder in die Höhe. Darauf fragte ihn der Schmiedeälteste: „Mein Sohn, welche Kraft hat deine Nadel?“ Er antwortete: „Meister, lasst von einem starken Mann den Amboss aufheben und unter den Amboss die Schüssel mit Wasser setzen; dann stoßt die Nadel in die Mitte vom Amboss.“ Jener ließ so tun und stieß dann die Nadel mit ihrer Spitze in die Mitte des Ambosses. Sie durchbohrte den Ambos und kam auf der anderen Seite wieder hervor auf der Oberfläche des Wassers, indem sie nicht um Haaresbreite zu hoch oder zu tief war.

Da riefen alle Schmiede: „Wir haben die ganze Zeit über noch nie auch nur gehört, dass die Schmiede etwas derartiges vermöchten.“ Sie klappten mit den Fingern und warfen tausend Gewänder in der Luft herum. Der Schmiedeälteste aber rief seine Tochter herbei und sprach inmitten der Versammlung: „Dies Mädchen passt für dich.“ Mit diesen Worten sprengte er Wasser über sie und gab sie ihm. In der Folgezeit wurde der Bodhisattva nach dem Tode des Schmiedeältesten in diesem Dorfe der Älteste der Schmiede.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Die Tochter des Schmieds war Rāhulas Mutter, der weise Schmiedesohn aber war ich.“

Ende der Erzählung von der Nadel

Anmerkungen:

1.
Jātaka 546.
2.
Auf Deutsch: „die Schöne vom Lande“, ein zu Buddhas Zeit wegen seiner Schönheit berühmtes Mädchen, die Geliebte von Buddhas Bruder Nanda. Vgl. die Vorgeschichte zu Jātaka 182 und öfters.
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