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J 422
{Sutta: J iii 461|J 422|J 422} {Vaṇṇanā: atta. J 422|atta. J 422}
Die Erzählung von Cetiya
422
Cetiya-Jataka (Cetiyajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Wenn man das Recht schlägt, schlägt es wieder

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung darauf, wie Devadatta in die Erde versank. An diesem Tage nämlich begannen die Mönche in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, Devadatta ist wegen seiner Lügen in die Erde versunken und in die Avici-Hölle gekommen.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht allein jetzt, sondern auch früher schon ist er in die Erde versunken.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem lebte im ersten Weltalter der König Mahasammata [1] ein Asamkheyya [2] lang. Dessen Sohn hieß Roja, der Sohn des Roja war Vararoja, dessen Sohn hieß Kalyana, der Sohn des Kalyana war Varakalyana, der des Varakalyana hieß Uposatha, der des Uposatha hieß Mandhatar, der Sohn des Mandhatar war Varamandhatar, dessen Sohn hieß Cara und der Sohn des Cara hieß Upacara. Man nannte ihn aber auch Apacara. Dieser regierte im Reiche Cetiya in der Stadt Sotthivati und er war mit vier Wundergaben ausgestattet:

  • (1.) Er wandelte oben und ging in der Luft,
  • (2.) vier Göttersöhne behüteten ihn auf den vier Seiten mit Schwertern in der Hand,
  • (3.) von seinem Körper ging ein Duft von Sandelholz aus,
  • (4.) von seinem Munde der Duft von Lotos.

Sein Hauspriester war der Brahmane Kapila. Der jüngere Bruder des Brahmanen Kapila, Korakalamba mit Namen, hatte mit dem Könige bei einem Lehrer die Künste erlernt und war sein Jugendfreund. Als er noch jung war, hatte ihm der jetzige König versprochen, wenn er zur Herrschaft gelangt sei, werde er ihm die Hauspriesterstelle verleihen. Nachdem er aber auch auf den Thron gekommen war, brachte er es nicht über sich, den Hauspriester seines Vaters, den Brahmanen Kapila von der Hauspriesterstelle zu entfernen. Wenn der Hauspriester zu ihm kam, um ihm seine Aufwartung zu machen, bezeigte er ihm seine Ehrfurcht aus Respekt vor ihm.

Der Brahmane merkte dies und dachte: „Die Herrschaft übt man am besten mit Gleichaltrigen aus; ich will den König um Erlaubnis fragen und die Welt verlassen.“ Und er sprach zum Könige: „O Fürst, ich bin alt. In meinem Hause ist ein junger Mann; mache den zum Hauspriester. Ich aber will die Welt verlassen.“ Nachdem er vom Könige die Erlaubnis erhalten, ließ er seinem Sohne die Hauspriesterstelle verleihen; er selbst ging in den Park des Königs und betätigte dort die Weltflucht der Weisen. Er erlangte die Fähigkeit zur Ekstase und die Erkenntnisse und lebte dort zusammen mit seinem Sohne.

Da dachte Korakalambaka: „Dieser hat, trotzdem er die Welt verlässt, mir nicht seinen Posten übertragen“, und er fasste einen Hass gegen seinen Bruder. Als sich eines Tages der König behaglich mit ihm unterhielt und ihn fragte: „Korakalambaka, du versiehst nicht die Hauspriesterstelle?“, antwortete er: „Nein, o Fürst, ich versehe sie nicht, sondern mein Bruder versieht sie.“ „Ist denn nicht dein Bruder Asket geworden?“ „Ja, er hat die Welt verlassen, seinen Posten aber hat er seinen Sohne übertragen.“ „Was willst du deshalb tun?“ „O Fürst, ich bin nicht im Stande, meinen Bruder, der in der natürlichen Reihenfolge zu seinem Posten gelangt ist, davon zu entfernen.“

Da sprach der König: „Wenn es sich so verhält, werde ich dich zum Ältern machen und den anderen für jünger als dich erklären.“ „Wie willst du dies erreichen, o Fürst?“ „Durch eine Unwahrheit“, Doch jener sagte: „Wie, o Fürst, wisst Ihr nicht, wie mein Bruder mit großer Wundergabe und Weisheit ausgestattet ist? Er wird Euch durch ein Wunder [3] täuschen; er wird machen, als ob die vier Göttersöhne verschwunden seien; er wird von Eurem Körper und Eurem Munde den Duft verwandeln, als ob er ein übler Geruch sei; er wird machen, als ob Ihr aus der Luft herabsteigen und auf der Erde stehen müsstet. Es wird Euch vorkommen, als würdet Ihr in die Erde versinken; dann werdet Ihr bei Euren Worten nicht festbleiben können.“ Der König antwortete: „Mache Du nur keine Anspielung; ich werde es tun können.“ „Wann werdet Ihr es tun, o Fürst?“ „Am siebenten Tage von jetzt an.“

Diese Rede wurde in der ganzen Stadt bekannt. „Der König wird durch eine Lüge den Älteren jung machen und den Posten dem Jüngeren geben. Wie sieht denn eine Lüge aus? Ist sie dunkelblau oder gelb oder von noch anderer Farbe?“ Solche Gedanken bewegten die Menge. Damals nämlich war die Zeit, wo die Welt die Wahrheit sprach; etwas derartiges wie eine Lüge kannte man nicht.

Auch der Sohn des Hauspriesters hörte diese Erzählung und sagte zu seinem Vater: „Vater, der König will durch eine Lüge Euch jung machen und unsern Posten meinem Onkel geben.“ Doch sein Vater antwortete: „Mein Sohn, der König wird auch durch eine Lüge nicht im Stande sein, uns unsern Posten wegzunehmen. An welchem Tage aber wird er es tun?“ „Am siebenten Tage von heute an.“ „Melde es mir also dann!“

Am siebenten Tage versammelte sich eine große Menge von Menschen in dem Hofe des königlichen Palastes, um die Lüge anzusehen und sie schlugen Bänke über Bänke auf. Der Jüngling ging hin und meldete es seinem Vater. Nun kam der König mit allem Schmuck geziert heran und stellte sich inmitten der Volksmenge im Hofe des Palastes in die Luft. Der Asket kam durch die Luft herbei, breitete vor dem Könige ein Fell zum Niedersitzen aus und setzte sich in der Luft mit gekreuzten Beinen nieder.

Hierauf fragte er den König: „Ist es denn wahr, dass du, o Großkönig, durch eine Lüge den Jüngeren zum Älteren machen und ihm den Posten geben willst?“ „Ja, o Lehrer“, antwortete der König, „so habe ich getan.“ Darauf sprach der Asket, um ihn zu ermahnen: „O Großkönig, eine Lüge ist etwas Drückendes, das die Vorzüge aufhebt. Sie bewirkt, dass man in den vier Höllen wiedergeboren wird. Ein König, der lügt, schlägt das Recht; wenn er aber das Recht schlägt, wird er selbst geschlagen.“ Und er sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Wenn man das Recht schlägt, schlägt es wieder; doch schlägt es nicht, wird's nicht verletzt. Darum verletze nicht das Recht, damit es dich nicht wieder schlage.“

Um ihn noch weiter zu ermahnen, fügte er hinzu: „Wenn du, o Großkönig, eine Lüge aussprichst, so werden deine vier Wundergaben verschwinden.“ Und er sprach folgende zweite Strophe:

[§2] „Wenn einer sagt die Unwahrheit, so gehn die Götter von ihm fort, nach Fäulnis wird der Mund ihm riechen und in der Luft kann er nicht bleiben, wenn er mit Wissen einer Frage in falscher Weise Antwort gibt.“

Als dies der König hörte, schaute er voll Furcht den Korakalambaka an. Aber dieser sagte zu ihm: „Fürchte dich nicht, o Großkönig! Habe ich dir dies nicht schon zuvor erzählt?“ usw.

Nachdem nun der König des Kapila Wort vernommen, brachte er seine eigene Rede vor und sprach: „Herr, du bist der jüngste; der älteste ist Korakalambaka.“ Sobald er aber diese Lüge ausgesprochen hatte, riefen die Göttersöhne: „Bei einem solchen Lügner wollen wir die Wache nicht übernehmen“; sie warfen ihre Schwerter ihm zu Füßen und verschwanden. Sein Mund bekam einen üblen Geruch wie von einem faulen Hühnerei, sein Körper roch wie ein geöffneter Abort. Aus der Luft fiel er ab und kam auf die Erde zu stehen; so verließen ihn seine vier Wundergaben.

Der große Hauspriester aber sagte zu ihm: „Fürchte dich nicht, o Großkönig; wenn du die Wahrheit sagst, werde ich wieder alles machen wie zuvor.“ Und er sprach folgende dritte Strophe:

[§3] „Wenn du die Wahrheit sagst, o König, so wirst du wieder wie zuvor; doch wenn du weiter lügst, o König, bleibst, Cetiya [4], du auf der Erde.“

Aber obwohl er sagte: „Sieh, Großkönig, infolge deiner ersten Lüge sind dir deine vier Wundergaben verschwunden. Merke auf! Jetzt kannst du es noch bewirken, dass es wird wie zuvor“, sprach der König: „Durch diese Tat wollt Ihr mich nur betrügen“, und sagte zum zweiten Mal die Lüge. Da sank er bis an den Knöchel in die Erde ein. Abermals warnte ihn der Brahmane mit den Worten: „So merke doch auf, o Großkönig“, und sprach folgende vierte Strophe:

[§4] „Zur Unzeit regnet es bei ihm, zur rechten Zeit gibt's keinen Regen bei dem, der wissend auf die Frage in falscher Weise Antwort gibt.“

Nachdem er ihm abermals gesagt: „Infolge deiner Lüge bist du bis an den Knöchel in die Erde eingesunken; merke doch auf, o Großkönig“, fügte er folgende fünfte Strophe hinzu:

[§5] „Wenn du die Wahrheit sagst, o König, so wirst du werden wie zuvor; doch wenn du weiter lügst, o König, versinkst du, Cetiya, in die Erde.“

Jener aber sagte zum dritten Male: „Du, Herr, bist der jüngere, Korakalambaka ist der ältere.“ Darauf versank er bis zum Knie in die Erde. Der Hauspriester sprach abermals: „Verstehe es doch jetzt wenigstens, o Großkönig“, und fügte folgende zwei Strophen hinzu:

[§6] „Zwiefach gespalten ist die Zunge wie bei der Schlange, Völkerfürst, bei dem, der wissend auf die Frage in falscher Weise Antwort gibt. [§7] Wenn du die Wahrheit sagst, o König, so wirst du werden wie zuvor; doch wenn du weiter lügst, o König, sinkst, Cetiya, du noch tiefer ein.“

Er schloss mit den Worten: „Auch jetzt noch kann man erreichen, dass es werde wie zuvor.“ Der König aber hörte nicht auf seine Rede, sondern sprach zum vierten Male die Lüge aus: „Du, Herr, bist der jüngere, Korakalambaka ist der ältere.“ Da versank er bis zur Hüfte in die Erde. Der Brahmane aber sagte wieder: „So verstehe es doch, o Großkönig“, und sprach die zwei weiteren Strophen:

[§8] „Die Sprache geht bei ihm verloren wie bei dem Fische, Völkerfürst, wenn einer wissend auf die Frage in falscher Weise Antwort gibt. [§9] Wenn du die Wahrheit sagst, o König, so wirst du werden wie zuvor; doch wenn du weiter lügst, o König, sinkst, Cetiya, du noch tiefer ein.“

Doch der König sagte zum fünften Male: „Du, Herr, bist der jüngere, Korakalambaka ist der ältere.“ Da sank er bis an den Nabel in die Erde ein. Der Brahmane aber ermahnte ihn wieder: „So merke es doch, o Großkönig“; und er sprach folgende zwei Strophen:

[§10] „Nur Töchter werden ihm geboren und keinen Sohn kann er erzeugen, wenn einer wissend auf die Frage in falscher Weise Antwort gibt. [§10] Wenn du die Wahrheit sagst, o König, so wirst du werden wie zuvor; doch wenn du weiter lügst, o König, sinkst, Cetiya, du noch tiefer ein.“

Der König aber hörte nicht darauf, sondern sprach zum sechsten Male die Lüge aus. Da versank er bis an die Brust in die Erde. Abermals warnte ihn der Brahmane mit den Worten: „So merke doch auf, o Großkönig“, und er sprach folgende zwei Strophen:

[§12] „Die Kinder bleiben nicht bei ihm, sie gehen fort nach allen Seiten, wenn einer wissend auf die Frage in falscher Weise Antwort gibt. [§13] Wenn du die Wahrheit sagst, o König, so wirst du werden wie zuvor; doch wenn du weiter lügst, o König, sinkst, Cetiya, du noch tiefer ein.“

Durch die Schuld seiner Verbindung mit einem schlechten Freunde aber hörte der König auch auf diese Worte nicht und log zum siebenten Male. Da öffnete sich ihm die Erde; aus der Avici-Hölle kam eine Flamme hervor und nahm ihn mit sich.

[§14] Den Weisen huldigte der König und wandelt' früher in der Luft; und dann versank er in die Erde und fand den Tod, der Niedrige. [§15] Drum loben auch die Weisen nicht, wer sich Parteilichkeit ergibt; doch wessen Herz nicht böse ist, des Wort ist stets der Wahrheit voll.

Diese Strophen sprach der völlig Erleuchtete.

Die Volksmenge aber geriet in große Furcht, indem sie dachte: „Der König Cetiya hat den Asketen gescholten, hat gelogen und ist dadurch in die Avici-Hölle gestürzt.“ Die fünf Söhne des Königs kamen herbei und sprachen: „Helft uns.“ Der Brahmane erwiderte: „Meine Lieben, Euer Vater hat das Recht verletzt, die Unwahrheit gesagt, einen Weisen gescholten und ist deshalb in die Avici-Hölle gekommen. Wenn nämlich das Recht verletzt wird, so verletzt es wieder. Ihr aber dürft nicht hier bleiben.“ Und er sprach zu dem ältesten unter ihnen: „Gehe, mein Sohn, verlasse die Stadt durch das Osttor und gehe geradeaus. Da wirst du einen ganz weißen, herrlichen Elefanten finden, der mit sieben Teilen [5] den Boden berührt. Dies ist dir das Zeichen, dass du hier eine Stadt erbauen und darin wohnen sollst; die Stadt aber soll Hatthipura (= „Elefantenstadt“) heißen!“

Zum zweiten sich wendend sprach er: „Du, mein Lieber, verlasse die Stadt durch das Südtor und gehe geradeaus. Da wirst du ein ganz weißes, herrliches Ross finden. Dies soll dir das Zeichen sein, dass du hier eine Stadt erbauen und darin wohnen sollst; die Stadt aber soll Assapura (= „Pferdestadt“) heißen.“

Zum dritten sprach er: „Du, mein Lieber, verlasse durch das Westtor die Stadt und gehe geradeaus. Da wirst du einen Mähnenlöwen finden. Dies sei dir das Zeichen, dass du hier eine Stadt erbauen und darin wohnen sollst; die Stadt soll Sihapura (= „Löwenstadt“) heißen.“

Zum vierten gewendet sprach er: „Du, mein Lieber, verlasse durch das Nordtor die Stadt und gehe geradeaus; da wirst du einen aus allen Arten der Kostbarkeiten hergestellten Wagenkorb finden. Dies sei dir das Zeichen, dass du an dieser Stelle eine Stadt erbauen und darin wohnen sollst; die Stadt aber soll Uttarapancala [6] heißen.“

Zum fünften sich wendend sprach er: „Mein Lieber, du darfst an diesem Orte nicht bleiben. Errichte in dieser Stadt einen großen Reliquienhügel, verlasse dann die Stadt und gehe in nordwestlicher Richtung geradeaus. Unterwegs wirst du zwei Berge sehen, die aneinander anstoßen und dabei den Laut ‘daddara’ hervorbringen. Dies sei dir das Zeichen, dass du an dieser Stelle eine Stadt erbauen und dort wohnen sollst; die Stadt aber soll Daddarapura (= „Daddara-Stadt“) heißen.“

Die fünf Leute aber gingen nach diesen Zeichen aus, gründeten ebenda Städte und wohnten daselbst.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, sagte er noch: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon hat Devadatta gelogen und ist darum in die Erde versunken.“ Dann verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der König Cetiya Devadatta, der Brahmane Kapila aber war ich.“

Ende der Erzählung von Cetiya

Anmerkungen:

1.
Diese Aufzählung der ältesten Könige findet sich u. a. auch im Jātaka 258.
2.
Ein Asamkheyya (eigentlich = „unermesslich“) ist 10.000.000 hoch 8, also 1 mit 140 Nullen.
3.
Ich nehme die Lesart einer Handschrift „abbhutam“ statt des überlieferten „abhutam“ an.
4.
Die Fürsten werden oft mit dem Namen ihres Volkes bezeichnet.
5.
Nämlich mit dem Körper, den Hauern und den vier Beinen.
6.
Das Wort bedeutet: „Die fünf Leute von Norden“. Eine Handschrift hat auch „pancacakkam“ (= „fünfteiliger Wagen“) statt „cakkapañjara“ (= „Wagenkorb“).
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