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J 474
{Sutta: J iv 207|J 474|J 474} {Vaṇṇanā: atta. J 474|atta. J 474}
Die Erzählung von der Mango
474
Amba-Jataka (Ambajātakaṃ) [0a]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

XIII. Terasa-Nipata (Dreizehntes Buch)

Er hat gebracht mir Mangofrüchte früher

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf Devadatta. Devadatta nämlich hatte gedacht: „Ich will der Buddha werden; mir ist der Asket Gotama weder Lehrer noch Meister.“ So hatte er seinen Lehrer verleugnet und, nachdem er die Fähigkeit zur Ekstase verloren, die Mönchsgemeinde gespalten. Als er dann später nach Savatthi kam [1], hatte sich außerhalb des Jetavana die Erde geöffnet und er war in die Avici-Hölle hinabgesunken. —

Damals begann man in der Lehrhalle folgendes Gespräch: „Freund, Devadatta hat den Meister verleugnet; deshalb stürzte er in großes Verderben und wurde in der Avici-Hölle wiedergeboren.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon hat Devadatta seinen Lehrer verleugnet und ist dadurch in großes Unglück gestürzt.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, ging die Familie seines Hauspriesters an der Schlangenhauchkrankheit [2] zugrunde. Ein Sohn durchbrach die Mauer und entkam. Dieser ging nach Takkasilā und erlernte dort bei einem weltbekannten Lehrer die Veden und die übrigen Wissenschaften. Darnach grüßte er seinen Lehrer und zog fort. Er dachte aber: „Ich will im Lande herumziehen“, und wandelte umher; dabei gelangte er in eine Grenzstadt. In der Nähe von dieser war ein großes Candala-Dorf [3]. — Damals wohnte der Bodhisattva in diesem Dorfe. Er war weise und klug und kannte einen Zauberspruch, mit dem er außerhalb der Zeit der Reife Früchte erhalten konnte. In der Frühe verließ er mit einem Tragkorb das Dorf, ging im Walde zu einem Mangobaume hin, stellte sich sieben Fuß entfernt von ihm auf, sagte den Zauberspruch her und begoss den Mangobaum mit einer Handvoll Wasser. In diesem Augenblick fielen von dem Baume die alten Blätter herab und es wuchsen neue, es blühten die Blüten auf und fielen ab, es entstanden Mangofrüchte; diese reiften im Augenblick, sie waren süß, voll Saft und glichen himmlischen Früchten; und sie fielen vom Baume herab. Der Bodhisattva sammelte sie auf, verzehrte davon nach Belieben, füllte seinen Tragkorb damit und kehrte nach Hause zurück; hier verkaufte er sie und ernährte damit Frau und Kinder.

Jener Brahmanenjüngling aber sah, wie der Bodhisattva außerhalb der Zeit reife Mangofrüchte herbeibrachte und verkaufte, und er dachte: „Ohne Zweifel muss er diese Früchte durch die Macht eines Zauberspruches bekommen haben. Durch diesen Mann werde ich diesen unschätzbaren Zauberspruch erhalten.“ Er beobachtete den Weg, auf dem der Bodhisattva die Früchte herbeiholte; als er ihn richtig erkannt hatte, ging er, als jener noch nicht aus dem Walde zurückgekehrt war, nach dessen Hause, stellte sich, als ob er es nicht wüsste, und fragte dessen Frau: „Wo ist der Lehrer?“ Auf ihre Antwort, er sei nach dem Walde gegangen, blieb er und wartete auf ihn. Als er ihn kommen sah, ging er ihm entgegen, nahm ihm den Tragkorb aus der Hand, trug ihn in das Haus und stellte ihn dort nieder.

Das große Wesen schaute ihn an und sprach dann zu seiner Gattin: „Liebe, dieser Brahmanenjüngling ist um des Zauberspruches willen gekommen. Der Zauberspruch wird aber nicht bei ihm bleiben; er ist ein schlechter Mensch.“ Der junge Brahmane aber dachte: „Ich werde der Aufwärter dieses Lehrers werden und dadurch in den Besitz des Zauberspruches kommen.“ Von da an verrichtete er im Hause alle notwendigen Dienste: er holte Holz, zerstieß den Reis und kochte ihn, reichte jenem das Waschwasser u. dgl. und wusch ihm die Füße. Als eines Tages der Bodhisattva zu ihm sagte: „Lieber Jüngling, gib mir einen Schemel als Unterlage für meine Füße“, und er keinen fand, stellte er dessen Füße auf seine Brust und blieb so die ganze Nacht sitzen.

In der Folgezeit gebar die Gattin des Bodhisattva einen Sohn und jener erwies ihr alle Dienstleistungen bei der Entbindung. Deshalb sprach sie eines Tages zum Bodhisattva: „Gebieter, dieser junge Brahmane verrichtet uns um des Zauberspruches willen alle niederen Dienste; mag nun der Zauber bei ihm bleiben oder nicht, gib ihm den Zauberspruch.“ Jener gab seine Zustimmung; er teilte ihm den Zauberspruch mit und sagte zu ihm: „Mein Sohn, unschätzbar ist der Zauberspruch; durch ihn wird dir großer Ruhm und große Ehrung zuteil werden. Wenn du aber vom Könige oder von einem Minister des Königs gefragt wirst, wer dein Lehrer war, so verleugne mich nicht; denn wenn du dich schämst zu gestehen, dass du von einem Candala den Zauberspruch empfangen habest, und sagst, ein großmächtiger Brahmane sei dein Lehrer gewesen, so wirst du die Frucht dieses Zauberspruchs nicht mehr erhalten.“ Jener versetzte: „Warum sollte ich Euch verleugnen? Wenn ich von irgend jemand gefragt werde, werde ich nur Euch nennen.“ Nachdem er dies gesagt, grüßte er den Bodhisattva, verließ das Candala-Dorf und erprobte den Zauberspruch. Hierauf zog er allmählich nach Benares, verkaufte dort Mangofrüchte und verdiente sich damit viel Geld.

Eines Tages nun kaufte auch der Parkwächter eine Mangofrucht von ihm und gab sie dem Könige. Als sie der König verzehrt hatte, fragte er: „Woher hast du eine solche Frucht erhalten?“ Der Gärtner antwortete: „O Fürst, ein junger Brahmane bringt außerhalb der Zeit Mangofrüchte herbei und verkauft sie; von ihm habe ich sie erhalten.“ Der König versetzte: „Von jetzt an soll er nur hierher seine Mangofrüchte bringen; sage ihm dies!“ Der Gärtner tat so. Von da an brachte der junge Brahmane seine Mangofrüchte in das Haus des Königs; als der König ihn aufforderte, in seine Dienste zu treten, diente er ihm und erhielt dafür viel Geld. So wurde er allmählich sein Vertrauter.

Es fragte ihn aber der König eines Tages: „Jüngling, woher erhältst du außerhalb der Zeit diese Mangofrüchte, die so vorzüglich sind in Farbe, Geruch und Geschmack? Gibt sie dir ein Naga [4] oder ein Supanna oder irgend ein Gott oder ist dies die Kraft eines Zauberspruches?“ Jener erwiderte: „Niemand gibt sie mir, o Großkönig; ich besitze aber einen unschätzbaren Zauberspruch; durch dessen Kraft geschieht es.“ Der König versetzte: „Deshalb möchten auch wir einmal die Kraft dieses Zauberspruches sehen.“ „Gut, o Fürst“, antwortete der Jüngling, „ich werde es Euch zeigen.“

Am andern Tage ging der König mit ihm nach dem Parke und sagte: „Zeige es mir!“ Jener versetzte: „Gut“; er ging zu einem Mangobaum hin, stellte sich sieben Fuß entfernt von ihm auf, sagte den Zauberspruch her und besprengte den Baum mit Wasser. In demselben Augenblick bekam der Mangobaum auf die oben geschilderte Art Früchte und ließ, einer großen Wolke gleich, einen Regen von Mangofrüchten herabströmen. Die ganze Volksmenge jubelte dazu und die Gewänder flogen in der Luft umher [5].

Der König aß von den Früchten, gab ihm viel Geld dafür und fragte: „Jüngling, von wem hast du diesen wunderbaren Zauberspruch erlernt?“ Da dachte der junge Brahmane: „Wenn ich sage: ‘Ich habe es von einem Candala erlernt’, so wird mir dies ein Grund, mich zu schämen, und man wird mich tadeln. Der Zauberspruch ist mir aber wohl bekannt und kann mir jetzt nicht mehr verloren gehen. Ich werde einen weltberühmten Lehrer nennen.“ Daher log er und sprach: „Zu Takkasilā habe ich ihn bei einem weltberühmten Lehrer erlernt.“ So verleugnete er seinen Lehrer; in demselben Augenblick aber entfiel ihm der Zauberspruch.

Voll Freude kehrte der König mit ihm in die Stadt zurück. An einem anderen Tage dachte er: „Ich will Mangofrüchte essen“; er begab sich nach dem Parke, ließ sich auf dem königlichen Steinsitze nieder und sprach: „Jüngling, bringe mir Mangofrüchte!“ Dieser versetzte: „Gut“, ging zu einem Mangobäume hin, stellte sich sieben Fuß von ihm entfernt auf und wollte seinen Zauberspruch hersagen. Als ihm aber der Zauberspruch nicht einfiel, merkte er, dass er ihn verloren habe, und stand beschämt da. Da dachte der König: „Dieser gab mir früher inmitten meines Gefolges Mangofrüchte; er ließ Mangofrüchte regnen, als ob von einer starken Wolke ein Regen herabströmte. Jetzt steht er ganz bestürzt da; was ist daran schuld?“ Und indem er ihn fragte, sprach er folgende erste Strophe:

[§1] „Es hat gebracht mir Mangofrüchte früher große und kleine dieser junge Weise; doch warum zeigen jetzt durch diesen Zauber sich nicht am Baum die Früchte, o Brahmane?“

Als dies der Brahmanenjüngling hörte, dachte er: „Wenn ich sage, ich bekomme heute keine Mangofrüchte, wird mir der König zürnen; ich werde ihn durch eine Lüge täuschen.“ Und er sprach folgende zweite Strophe:

[§2] „Ich muss auf die Konstellation [6] noch warten, nicht passt mir jetzt die Zeit, der Augenblick; wenn günstig mir Konstellation und Zeit, dann werd ich viele Mangofrüchte bringen.“

Der König dachte: „Dieser hat sonst nie von Konstellation gesprochen; was ist jetzt dies?“ Und fragend sprach er folgende zwei Strophen:

[§3] „Von der Konstellation sprachst du sonst niemals, Zeit und Moment hast du sonst nicht erwähnt; sondern du brachtest viele Mangofrüchte, mit Farbe, Duft, Geschmack wohl ausgestattet. [§4] Du sagtest nur den Zauber und es zeigten sich an dem Baum die Früchte sonst, Brahmane, und heute kannst du nicht den Spruch hersagen: was ist dies heut bei dir für ein Verhalten?“

Da dies der junge Brahmane hörte, dachte er: „Ich kann den König nicht durch eine Lüge täuschen. Wenn ich die Wahrheit sage und er straft mich dafür, so soll er mich strafen. Nur die Wahrheit will ich sagen.“ Und er sprach die folgenden beiden Strophen:

[§5] „Den Spruch gab ein Candala mir; er lehrte den Zauber richtig mich und seine Art: ‘Wenn man dich fragt, verleugne nicht die Abkunft von mir, dass dir der Zauber nicht entfällt.’ [§6] Als du mich fragtest, Fürst, obwohl ich's wusste, sprach ich aus Heuchelei die Unwahrheit; dass ich es von Brahmanen lernt', ist Lüge. Weil ich verlor den Zauber, wein ich kläglich.“

Als dies der König vernahm, dachte er: „Dieser Bösewicht hat einen solchen Schatz nicht beachtet; denn wo er einen so äußerst wertvollen Schatz erhielt, was soll da die Abstammung bedeuten?“

Und zornig sprach er folgende Strophen:

[§7] „Erandas [7], Pucimanda-Bäume [8] und Palibhaddakas [9] kennt der, der Honig sucht. Doch dieser da [10] von allen Bäumen ist der erste. [§8] Krieger, Brahmanen und die Vessas, Suddas, Candalas, Pukkusas [11]: von wem man eine Kunst erlernt, der ist der beste Mann von diesen. [§9] Doch diesem gebt den Stock und feste Streiche, packt ihn am Halse, werft hinaus den Bösen, der mühsam sich das Höchste hatt' erworben und es durch Hochmut wieder dann verlor.“

Die Leute des Königs taten so und sagten dann zu ihm: „Begib dich zu deinem Lehrer und versöhne ihn. Wenn du wieder die Zaubersprüche erhältst, so kehre hierher zurück; wenn nicht, so darfst du dies Land nie wieder sehen.“ Mit diesen Worten vertrieben sie ihn. Als er nun so hilflos geworden war, dachte er: „Außer meinem Lehrer habe ich keine Zuflucht mehr. Zu ihm will ich hingehen, ihn versöhnen und ihn nochmals um den Zauberspruch bitten.“ Und er ging weinend nach dessen Dorfe.

Als ihn aber der Bodhisattva kommen sah, sprach er zu seiner Gattin: „Liebe, sieh, wie dieser Bösewicht, weil ihm der Zauberspruch entfallen ist, noch einmal kommt!“ Jener ging zu dem Bodhisattva hin, begrüßte ihn ehrfurchtsvoll und setzte sich neben ihn. Als er gefragt wurde, warum er gekommen sei, sagte er: „Meister, ich habe eine Lüge ausgesprochen, meinen Lehrer verleugnet und bin dadurch in großes Unglück gestürzt.“ Nachdem er ihm so seinen Fehler bekannt, sprach er, indem er wieder um den Zauberspruch bat, folgende Strophe:

[§10] „Wie in der Meinung, eben sei der Boden, man stürzt in eine tiefe, stink'ge Hölle, wie statt'nen Strick man anrührt eine Schlange und wie ein Blinder sich ans Feuer stellt, so bin auch ich gestrauchelt. Drum sei gnädig, du Weiser, mir, der ich verlor den Zauber.“

Es entgegnete ihm aber der Lehrer: „Mein Sohn, was sagst du da? Wenn ein Blinder einen Wink bekommt, so gibt er acht auf Höhlen u. dgl. Ich habe es dir schon zuerst gesagt; warum bist du jetzt noch einmal zu mir gekommen?“ Und er sprach folgende Strophen:

[§11] „In richt'ger Weise lehrt' ich dich den Zauber, in richt'ger Weise nahmst du ihn entgegen; auch seine Art verkündet' ich dir freudig: ‘Bleibst du gerecht, verläßt dich nicht der Zauber.’ [§12] Doch du, o Tor, hast den mühsam erlangten, den heute schwer man in der Welt bekommt, mit dem du dir dein Leben konntest fristen, aus Unverstand verloren, da du logest. [§13] Dem Toren, dem Verwirrten, Undankbaren, dem Ungezügelten, der Lüge sagt, dem will ich solchen Zauber nicht mehr geben. Woher den Spruch [12]? Geh, du gefällst mir nicht!“

Da aber jener so von dem Lehrer fortgeschickt wurde, dachte er: „Was brauche ich weiter zu leben?“, ging in den Wald und starb den Hungertod.

[§A2]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, fügte er hinzu: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon hat Devadatta seinen Meister verleugnet und ist dadurch in großes Verderben gestürzt.“

[§C]

Sodann verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der undankbare Brahmanenjüngling Devadatta, der König war Ananda, der Candala-Sohn aber war ich.“

Ende der Erzählung von der Mango

Anmerkungen:

0a.
Bei Dutoit heißt das Jātaka „Die Erzählung von dem Mango“ (Maskulinum). Damit meint Dutoit möglicherweise den Mango-Baum, vgl. Jātaka 4 Anm. 1. Die Mango(-Frucht) ist jedoch Femininum. Die Frucht ist auch Haupt-Thema des Jātaka und in der maßgeblichen ersten Strophe wird in der ersten Strophe auch die Mango-Frucht erwähnt.
1.
Die erwähnten Ereignisse hatten zu Rajagaha stattgefunden; vgl. „Leben des Buddha“, S. 167 ff.
2.
Damit ist wohl die Malaria gemeint; vgl. Jātaka 178 Anm. 1. Die Kranken wurden wohl mit ihrer Familie isoliert; darauf deutet der folgende Ausdruck: er durchbrach die Mauer.
3.
Die Angehörigen der niedrigsten Kaste; vgl. Jātaka 152 Anm. 5 und Jātaka 179 Anm. 4.
4.
Zu Naga und Supanna vgl. die Anmerkung oben Jātaka 469 Anm. 14. [Die Nagas sind göttliche Schlangenwesen, die Supannas göttliche Vogelwesen.]
5.
Ein in den Jātakas oft vorkommendes Zeichen höchster Freude.
6.
Bei andern Zaubersprüchen war allerdings die Konstellation von Bedeutung; vgl. Jātaka 48.
7.
Eranda ist die Biberöl-Pflanze.
8.
Pucimanda ist der Nimba-Strauch, Azadirachta indica.
9.
Palibhaddaka ist der Kamsuka-Baum, Butea frondosa.
10.
Nämlich der Mangobaum.
11.
Dieses sind die sechs Kasten, die öfters in den buddhistischen Texten erwähnt sind; die Vessas (skr. „vaisya“) sind auch oft als Hausväter bezeichnet. In der Brahmanischen Religion gibt es nur vier Kasten; die letzte bilden die Sudras (pali „suddas“). Die Candalas und Pukkusas sind wohl Mischkasten.
12.
D. h. warum sollte ich dir den Zauberspruch nochmals geben?
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