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J 478
{Sutta: J iv 227|J 478|J 478} {Vaṇṇanā: atta. J 478|atta. J 478}
Die Erzählung von denBoten
478
Duta-Jataka (Dūtajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Boten sandt' ich zu dir, Brahmane

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf das Lob seiner Weisheit. In der Lehrhalle nämlich begannen die Mönche folgendes Gespräch: „Sehet, Freunde, wie der mit den zehn Kräften Ausgestattete der richtigen Mittel kundig ist! Dem Nanda, diesem Sohne aus edler Familie, zeigte er die Schar der Göttermädchen und verhalf ihm dadurch zur Heiligkeit [1]; dem kleinen Panthaka [2] gab er ein Gewandstück und verhalf ihm dadurch zur Heiligkeit samt den Unterscheidungen [3], dem Schmiedesohn zeigte er eine Lotosblume und verhalf ihm dadurch zur Heiligkeit. So unterwirft er sich durch mancherlei Mittel die Menschen.“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, sprach er: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, kennt der Vollendete die Mittel, wie etwas geschehen soll, und findet die richtige Art, sondern auch schon früher verstand er sich auf die richtigen Mittel.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, besaß das Land kein Gold; denn jener bedrückte das Land und trug das Gold zusammen. Damals hatte der Bodhisattva in einem Dorfe des Reiches Kasi in einer Brahmanenfamilie seine Wiedergeburt genommen. Als er herangewachsen war, ging er nach Takkasilā und sagte: „Ich werde später in Tugend Almosen sammeln und das Lehrgeld davon herbeibringen.“ So erlernte er die Wissenschaften. Als er sie mit vielem Eifer sich zu eigen gemacht hatte, sagte er zu seinem Lehrer: „Meister, ich werde Euch das Lehrgeld bringen“, verabschiedete sich von ihm und ging fort. Er wandelte nun im Lande umher und suchte in Tugend und Gerechtigkeit nach Gold. Als er sieben Nikkhas [4] erhalten, zog er wieder fort, um dies seinem Lehrer zu bringen, und bestieg unterwegs ein Schiff, um den Ganges zu überschreiten. Als aber dort das Schiff sich umwandte, fiel das Gold in das Wasser.

Da dachte er bei sich: „Schwer zu erhalten ist in diesem Lande das Gold. Wenn ich abermals nach dem Gold für den Lehrer suche, wird für mich eine Verzögerung daraus entstehen. Wie, wenn ich jetzt am Ufer des Ganges mich niedersetzen würde, ohne Nahrung zu mir zu nehmen? Dass ich so dort sitze, wird allmählich auch der König erfahren. Dann wird er Minister schicken; ich aber werde mit ihnen nicht reden. Dann wird der König selbst kommen; auf diese Weise werde ich von ihm das Geld für meinen Lehrer erhalten.“ Darauf zog er am Ufer des Ganges sein Obergewand an, legte die Opferschnur außen darum und setzte sich auf dem gleich einer silbernen Schüssel glänzenden Sande nieder, einem goldenen Bilde gleichend. Als die Volksmenge sah, wie er, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, dasaß, fragten sie ihn: „Warum sitzest du hier?“ Keinem aber antwortete er. Am nächsten Tage hörten die Bewohner des Dorfes am Tore von Benares, dass er dort sitze; sie kamen herbei und fragten ihn, aber auch ihnen sagte er nichts. Da sie aber sahen, wie er erschöpft war, entfernten sie sich jammernd. Am dritten Tage kamen die Bewohner der Stadt, am vierten Tage die angesehensten Personen aus der Stadt, am fünften Tage das Gefolge des Königs. Am sechsten Tage schickte der König seine Minister zu ihm; aber auch mit diesen redete er nichts. Am siebenten Tage bekam der König Angst; er ging zu ihm hin und sprach, um ihn zu fragen, folgende erste Strophe:

[§1] „Boten sandt' ich zu dir, Brahmane, der du am Gangesufer nachdenkst. Da sie dich fragten, sprachst du nichts; kennst du ein Leid, dass du verbirgst?“

Als dies das große Wesen hörte, erwiderte es: „O Großkönig, ein Leid soll man nur dem mitteilen, der uns davon befreien kann“; und er sprach folgende sieben Strophen:

[§2] „Wenn dir ein Leid ist zugestoßen, der Kasi-Leute Reichsvermehrer, so teile dies nicht einem mit, der dich vom Leid nicht kann befreien. [§3] Doch wer den, der das Leid erfahren, auch nur zum Teil durch seine Worte auf rechte Weise kann befreien, dem teile dein Begehren mit. [§4] Leicht zu verstehen ist die Stimme von den Schakalen, von den Vögeln; der Menschen Sprache aber, König, weit schwerer ist sie zu verstehen. [§5] Wenn auch vielleicht ein Mann kann meinen: ‘Verwandter ist er, Freund, Gefährte’, wer früher uns war wohlgesinnt, der zeigt sich später als ein Feind [5]. [§6] Ein Mann, der, weil er immer wieder wird gefragt, zur Unzeit macht bekannt sein Leid, den werden preisen darum seine Feinde, doch seinen Freunden schafft er dadurch Schmerz. [§7] Doch wenn er merkt, die rechte Zeit ist da, und er den Weisen gut gesinnt sich sieht, kann Hartes auch der Kluge andern klagen, ein sanftes Wort kann sagen er voll Nutzen. [§8] Doch wenn er merkt, es könne ihm nicht helfen, und sieht, der Weg führt nicht für ihn zum Heil, so mög' allein sein Leid der Weise tragen, auf Wahrheit und auf Ehrbarkeit bedacht.“

Nachdem so das große Wesen mit diesen sieben Strophen dem Könige die Wahrheit gesagt hatte, sprach er, um ihm mitzuteilen, dass er nach dem Geld für seinen Lehrer suche, folgende vier Strophen:

[§9] „Ich wanderte durch Königreiche, durch Flecken und durch Residenzen, indem ich bettelte, o König, um für den Lehrer Geld zu holen bei Hausvätern, bei Königsleuten und bei hochmögenden Brahmanen. [§10] Dabei erhielt ich sieben Nikkhas von edlem Golde, Völkerfürst, und die hab ich verloren, König; darum bin ich so sehr betrübt. [§11] Und deine Leute, großer König, wenn ich im Geiste sie bedachte, konnten mich nicht vom Leid befreien; drum gab ich ihnen keine Antwort. [§12] Doch du, o großer König, wärest, da ich im Geiste dich bedachte, fähig, vom Leid mich zu befreien; darum hab ich es dir verkündet.“

Als aber der König dessen Predigt vernommen hatte, sprach er: „Sei unbekümmert, Brahmane; ich werde dir das Geld für deinen Lehrer geben.“ Und er gab es ihm zweifach.

Während der Meister diese Begebenheit verkündete, sprach er folgende Schlussstrophe:

[§13] So gab ihm mit erfreutem Herzen der Kasi-Leute Reichsvermehrer des Goldes vierzehn volle Nikkhas, die nur aus reinem Gold bestanden.

Nachdem der Bodhisattva dem Könige diese Ermahnung gegeben hatte, brachte er seinem Lehrer das Geld und tat gute Werke wie Almosen Spenden u. dgl.; der König aber beharrte bei seiner Ermahnung und führte in Gerechtigkeit seine Regierung. So gelangten sie später beide an den Ort ihrer Verdienste.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen hatte, fügte er hinzu: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon verstand sich der Vollendete auf die richtigen Mittel“, und verband hierauf das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war der König Ananda, der Lehrer war Sāriputta, der junge Brahmane aber war ich.“

Ende der Erzählung von den Boten

Anmerkungen:

1.
Die Erzählung, wie Nanda, Buddhas Stiefbruder, von diesem zur Heiligkeit geführt wurde, steht in der Vorgeschichte zum Jātaka 182.
2.
Siehe die Vorerzählung zum 4. Jātaka. Rouse übersah diese Erzählung; deshalb hat seine Konjektur „cullupatthakassa“ keine Berechtigung.
3.
Vgl. Jātaka 4 Anm. 15. [Damit sind die vier Teile des übernatürlichen Wissens eines Heiligen gemeint, nämlich die genaue Kenntnis des Inhalts der Lehre, der Lehre selbst, der Bedeutung der Wörter und des bestimmten Wissens im Allgemeinen. Doch sind die Buddhisten selbst über die Ausdehnung dieser Begriffe untereinander nicht einig.]
4.
Ein kleines Goldgewicht; vielleicht so viel wie eine Unze.
5.
Diese beiden Strophen stehen auch im Jātaka 476 Strophen 6-7.
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