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J 37
{Sutta: J i 223|J 037|J 037} {Vaṇṇanā: atta. J 037|atta. J 037}
Die Erzählung von dem Rebhuhn
037
Tittira-Jataka (Tittirajātakaṃ)
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Die Männer, die das Alter ehren

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er nach Savatthi reiste, mit Beziehung auf die Wegnahme der Wohnung des Thera Sariputta. Als nämlich Anāthapindika das Kloster vollendet hatte [1] und der Meister Nachricht davon erhielt, brach er von Rajagaha auf und begab sich nach Vesali. Dort verblieb er, solange es ihm beliebte, und machte sich dann auf den Weg, um nach Savatthi zu gehen. Zu der Zeit gingen die Schüler der sechs Mönche [2] voran und nahmen, wenn die Wohnungen noch nicht besetzt waren, diese Wohnungen vorweg, indem sie dachten: „Diese Wohnung wird unser Meister [3] erhalten, diese unser Lehrer und diese ist für uns.“ Die Theras, die hinterdrein kamen, erhielten keine Wohnungen. Auch die Schüler des Thera Sariputta fanden keine Wohnung, als sie für den Thera eine suchten. Da nun der Thera keine Wohnung fand, blieb er in der Nähe der Wohnung des Meisters, indem er am Fuße eines Baumes sich niedersetzte oder umherging. Zur Zeit der Morgendämmerung verließ der Meister seine Wohnung und hustete. Der Thera hustete auch. Darauf fragte Buddha: „Wer ist da?“ Er erwiderte: „Ich, Herr, Sariputta.“ Als nun Buddha weiter fragte: „Was tust du da zu dieser Zeit, Sariputta?“, erzählte dieser die Begebenheit. Da aber der Meister die Worte des Thera vernahm, überlegte er: „Jetzt, während ich noch lebe, sind die Mönche gegeneinander unehrerbietig und ungehorsam; was werden sie erst tun, wenn ich zum vollständigen Nirvana eingegangen bin?“ Und er wurde bekümmert wegen der Lehre. —

Als nun die Nacht vergangen war, ließ er die Mönchsgemeinde zusammenkommen und fragte die Mönche: „Ist es wahr, ihr Mönche, dass die sechs Mönche immer vorausgehen und den alten Mönchen ihre Wohnungen wegnehmen?“ Sie antworteten: „Ja, Erhabener, es ist wahr.“ Darauf tadelte er die sechs Mönche und, indem er eine Belehrung gab, sprach er zu den Mönchen: „Wer, ihr Mönche, verdient die erste Wohnung, das erste Wasser, das erste Almosen?“ Da antworteten einige: „Wer aus der Kriegerkaste Mönch geworden ist“, andere „wer aus der Brahmanenkaste oder aus der Kaste der Hausväter Mönch geworden ist“; wieder andere meinten „Ein Träger der Disziplin, ein Ausleger der Lehre, ein der ersten Stufe der Ekstase Teilhaftiger, ein der zweiten, der dritten, der vierten Stufe der Ekstase Teilhaftiger“; wieder andere sagten: „Ein Bekehrter, ein Einmalzurückkehrer, ein Nichtzurückkehrender, ein Heiliger, einer, der das dreifache Wissen besitzt [4], einer, der die sechs Tätigkeiten [5] besitzt.“ Als nun die Mönche, jeder nach seiner Vorliebe, diejenigen genannt hatte, die der ersten Wohnung usw. würdig wären, sprach der Meister: „In meiner Lehre, ihr Mönche, entscheidet für die Erlangung der ersten Wohnung u. dgl. nicht, ob einer aus der Kriegerkaste oder der Brahmanenkaste oder der Hausväterkaste Mönch geworden ist, nicht ob er ein Träger der Disziplin oder ein Kenner des Sutta oder ein Kenner des Abhidhamma [6] ist, nicht ob er die erste Stufe der Ekstase usw. erreicht hat, nicht ob er bekehrt ist usw. In dieser Lehre, ihr Mönche, hat sich vielmehr nach dem Alter die Begrüßung, das Aufstehen, das Händefalten [7], die ehrfurchtsvolle Behandlung zu richten, ist die erste Wohnung, das erste Wasser, das erste Almosen zu nehmen; das ist der Maßstab und deshalb verdient dies der ältere Mönch. Jetzt aber, ihr Mönche, verdient Sariputta, mein erster Schüler [8], der nach mir das Rad der Lehre in Bewegung gesetzt hat [9], die Wohnung unmittelbar nach mir zu erhalten; und er hat diese Nacht, da er keine Wohnung fand, am Fuße eines Baumes zugebracht. Wenn ihr jetzt so unehrerbietig und ungehorsam seid, was werdet ihr dann tun, wenn die Zeit immer mehr vergeht?“ Und um sie zu ermahnen, fuhr er fort: „Schon in früherer Zeit, ihr Mönche, haben selbst Tiere richtig überlegt: ‘Es passt nicht für uns, gegeneinander unehrerbietig, ungehorsam und uneinträchtig zu bleiben; wir wollen erkennen, wer von uns am ältesten ist, und diesem die ehrfurchtsvolle Begrüßung u. dgl. zollen.’ Und als sie erkannt hatten: ‘Dies ist der älteste von uns’, erwiesen sie ihm die Ehrungen und gelangten danach in die Götterwelt.“ Und nach diesen Worten erzählte er ihnen folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Ehedem lebten an den Abhängen des Himalaya-Gebirges bei einem großen Bananenbaume drei Freunde: ein Rebhuhn, ein Affe und ein Elefant. Diese waren gegeneinander unehrerbietig, ungehorsam und uneinträchtig. Da kam ihnen der Gedanke: „Es ist nicht recht für uns, so zu leben; wie, wenn wir nun dem, der der älteste von uns ist, unsere Ehrungen erweisen würden!“ Und als sie darüber nachdachten, wer von ihnen der älteste sei, sagten sie eines Tages: „Das ist das Mittel“; und die drei Leute setzten sich am Fuße des Bananenbaumes nieder. Darauf fragten das Rebhuhn und der Affe den Elefanten: „Lieber Elefant, seit wie langer Zeit kennst du diesen Bananenbaum?“ Er erwiderte: „Freunde, als ich ein kleines Elefantenjunges war, da ging ich durch den Bananenstrauch mit den Hüften; als ich aber größer wurde, berührten seine Zweige meinen Nabel. Daher kenne ich ihn, seitdem er ein Strauch war.“ Wiederum fragten die beiden Leute in der angegebenen Weise den Affen. Dieser sagte: „Freunde, wenn ich mich zur Zeit, da ich noch ein Affenjunges war, auf den Boden setzte und den Hals emporhob, konnte ich die obersten Sprossen dieses jungen Bananenbaumes verzehren. Daher kenne ich ihn, seitdem er ganz klein war.“ Zuletzt fragten die beiden anderen auf die angegebene Weise das Rebhuhn. Dieses sprach: „Freunde, früher war an der und der Stelle ein großer Bananenbaum. Als ich von dessen Früchten verzehrt hatte, ließ ich an dieser Stelle Kot fallen und daraus entstand dieser Baum. Daher kenne ich diesen Baum seit einer Zeit, wo er noch nicht da war, und darum bin ich älter als ihr.“ Nach diesen Worten sprachen der Affe und der Elefant zu dem klugen Rebhuhn: „Freund, du bist älter als wir. Von jetzt an werden wir dir Ehrungen und Huldigungen aller Art darbringen; wir werden dich ehrfurchtsvoll begrüßen, vor dir aufstehen, vor dir die Hände falten und die anderen Werke der Ehrerbietung verrichten. Bei dieser Unterweisung wollen wir bleiben; gib du uns von jetzt an Unterweisung und Belehrung.“ Von da an gab das Rebhuhn ihnen Unterweisungen, es befestigte sie in den Geboten und es beobachtete auch selbst die Gebote. Nachdem aber die drei in den fünf Geboten befestigt waren, wurden sie gegeneinander ehrerbietig, gehorsam und einträchtig und am Ende ihres Lebens gelangten sie in die Götterwelt.

[§A2]

„Die Bemühung dieser drei“, fuhr Buddha fort, „war die Rebhuhn-Heiligkeit. Diese Tiere also, ihr Mönche, lebten gegenseitig in Ehrerbietung, Gehorsam und Eintracht; ihr aber, die ihr in der wohl verkündeten Lehre und Disziplin Mönche geworden seid, warum seid ihr so unehrerbietig, ungehorsam und uneinträchtig gegeneinander? Von jetzt an, ihr Mönche, bestimme ich, dass ihr je nach dem Alter ehrfurchtsvoll grüßen, aufstehen, die Hände falten und die Werke der Ehrerbietung verrichten sollt, dass je nach dem Alter der erste Sitz, das erste Wasser, das erste Almosen zukommen soll. Von jetzt an darf dem Älteren vom Jüngeren die Wohnung nicht vorweggenommen werden; wer sie wegnimmt, macht sich einer Sünde schuldig.“

Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt hatte, sprach er, da er völlig erleuchtet geworden, folgenden Vers:

[§1] „Die Männer, die das Alter ehren, die auf das Rechte sich verstehn, erwerben Lob in dieser Welt und nach dem Tod die Seligkeit.“
[§C]

Nachdem so der Meister den Vorzug der Ehrung des Alters auseinandergesetzt hatte, erklärte er die gegenseitigen Beziehungen und verband das Jātaka mit den Worten: „Damals war der Elefant Moggallana, der Affe war Sariputta, das kluge Rebhuhn aber war ich.“

Ende der Erzählung vom Rebhuhn

Anmerkungen:

1.
Über die Stiftung des Jetavana zu Savatthi durch Anāthapindika vgl. „Leben des Buddha“, S. 146 ff.
2.
Damit sind hier wohl wieder die sechs bösen Mönche gemeint, von denen in der Vorgeschichte von Jātaka 28 die Rede ist.
3.
D. h. nicht Buddha, sondern ihre speziellen Lehrer.
4.
Das dreifache Wissen ist:
  • 1. das Wissen von der Unbeständigkeit der Dinge,
  • 2. vom Leiden, und
  • 3. dass die Welt nicht das Selbst ist.
5.
Die 6 Tätigkeiten sind
  • 1. die Wunderkraft,
  • 2. das göttliche Gehör,
  • 3. die Kenntnis der Gedanken anderer,
  • 4. die Kenntnis der früheren Existenzen,
  • 5. das göttliche Auge,
  • 6. die Kenntnis dessen, was die Sünde vernichtet.
6.
Vinaya (= „Disziplin“), Sutta und Abhidhamma sind die drei Teile der kanonischen Schriften des südlichen Buddhismus. Vgl. “Leben des Buddha“, S. XIV ff. Die Erwähnung dieser Einteilung ist übrigens ein Beweis für die späte Entstehung dieser Einleitung.
7.
Eine buddhistische Ehrenbezeigung. Vgl. „Leben des Buddha“, S. 324, Anm. 42.
8.
Nicht der Zeit, sondern der Bedeutung nach. Vor ihm hatte Buddha schon über 1000 Schüler.

9.
Dies scheint die Stelle zu bedeuten, nicht, wie Chalmers meint, „der die kleinere Lehre begründet hat“.
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